Geschickte Renntaktik: So teilst du dein Rennen am besten ein

Valentin Belz 30. August 2024

Die Renneinteilung hat einen grossen Einfluss auf die Zeit, die am Ende in der Rangliste steht. Die besten Tipps.

Bestimmt bist auch du schon einmal nach dem Startschuss im Sog der Masse mitgelaufen, um bereits nach wenigen Minuten festzustellen, dass du dieses Tempo nie und nimmer bis ins Ziel durchhalten kannst. Wirfst du dann nach dem Rennen einen Blick auf deine Kilometerabschnitte, stellst du fest, dass du im Laufe des Rennens immer langsamer geworden bist und am Ende mit einem Tempo unterwegs warst, welches du im Training locker laufen könntest.

Das Gefühl trügt

Im Gegensatz zu den Spitzenläufern, die tagtäglich laufen und ihr Tempo auf die Sekunde genau einschätzen können, täuscht uns das Gefühl für die richtige Geschwindigkeit unter dem Einfluss des Adrenalins oft stark. Wir fühlen uns zu Beginn blendend und glauben, dieses Tempo ewig durchhalten zu können. Doch dem ist leider nicht so. Die Ernüchterung folgt spätestens dann, wenn nach rund 10 Minuten Puls und Laktat der effektiven Leistung entsprechen und höher sind, als man durchhalten kann. Ab diesem Zeitpunkt sind wir gezwungen, das Tempo zu reduzieren und Schadensbegrenzung zu betreiben.

Wettkampftempo üben

Es geht aber auch anders. Erfolgreich ist – vor allem über lange Strecken –, wer gerade zu Beginn seine Pferde im Zaum hält und versucht, möglichst gleichmässig zu laufen oder sogar die zweite Hälfte schneller zu absolvieren. Das übt man am besten immer wieder im Training, damit man im Rennen die Gewissheit hat, es erstens zu können und zweitens zu wissen, wie sich das richtige Tempo anfühlt.

Das richtige Wettkampftempo

  • Marathon

Die erfolgreichste Strategie für einen Marathon ist eine konservative erste Hälfte und eine schnellere zweite Hälfte, ein sogenannter «negativer Split». Das bedeutet, dass die erste Hälfte des Rennens maximal im Zieltempo der berechneten Kilometer-Durchschnittsgeschwindigkeit oder sogar leicht langsamer in einem gleichmässigen Rhythmus gelaufen wird. Auf der zweiten Hälfte kann man dann kontinuierlich das Tempo leicht steigern und gegen den Schluss hin noch einmal alles geben, was man hat. Praktisch alle erfolgreichen Spitzenläufer schaffen dieses Kunststück, bei vielen Hobbysportlern sieht es genau umgekehrt aus. Wichtig ist, dass man im Vorfeld beispielsweise einen Halbmarathon läuft, um das Zieltempo vernünftig einschätzen zu können.

  • Halbmarathon

Während man beim Marathon für einen zu schnellen Start am Ende doppelt büsst und es deshalb praktisch nur die erfolgversprechende Taktik der dosierten Einteilung gibt, können auf kürzeren Strecken auch andere Strategien erfolgreich sein. Im Idealfall läuft man über die 21,1 Kilometer ein möglichst konstantes Tempo und versucht auf den letzten rund 5 Kilometern, noch einmal zuzulegen oder zumindest das Tempo zu halten. Bei ambitionierten Läuferinnen und Läufern ist aber auch die Strategie zu beobachten, dass die ersten 1 bis 2 Kilometer schneller gelaufen werden – um z.B. in einer Gruppe Unterschlupf zu finden –, und erst dann das individuell richtige Tempo gefunden wird bzw. versucht wird, dieses so lange wie möglich zu halten. Für die meisten Hobbysportler ist es sinnvoll, die erste, dosierte Variante zu wählen, da man so ab rund der Hälfte das Feld von hinten aufrollen kann, was psychologisch von grossem Vorteil ist und beflügelnd wirkt.

  • 10km

Je kürzer das Rennen ist, desto schneller und ohne Barrieren im Kopf kann man es angehen. Bei einem 10-km-Rennen wird in der Regel von Beginn weg sehr schnell gelaufen, bevor bis spätestens nach zwei Kilometern das passende «Zieltempo» gefunden ist und möglichst auch gehalten wird. Und auch da gilt: Für einen Schlusssprint auf den letzten rund 400 Metern noch einmal alles geben, lohnt sich.

  • 5km

Eine amerikanische Studie mit Läuferinnen, die im Schnitt 21 Minuten für die 5 km benötigen, zeigt, dass das beste Ergebnis dann erzielt wird, wenn die ersten gut anderthalb Kilometer 3-6 Prozent schneller als das Zieltempo gelaufen werden und die restlichen rund 3,5 Kilometer so schnell wie möglich. Sicherlich eine mutige Taktik, die auch schief gehen kann, wenn zu Beginn zu schnell angegangen wird. Auf der sicheren Seite ist, wer zu Beginn höchstens 5 bis 10 Sekunden schneller pro Kilometer läuft und dadurch den Rest des Rennens noch aktiv gestalten kann.

Fazit

Ein gutes Ergebnis ist kein Zufallsprodukt und je nach Zieldistanz verändert sich die erfolgsversprechende Wettkampftaktik. Die passende Selbsteinschätzung ist auf kürzeren Distanzen etwas einfacher als auf einer auszehrenden Langdistanz und sollte möglichst oft geübt werden. Während auf der Marathondistanz meist eine defensive Taktik zum Erfolg führt, kann es auf kürzeren Strecken je nach äusseren Bedingungen (Streckenführung, Temperatur, Wind, Mitläufer) auch gewinnbringend sein, etwas mutiger zu starten und sich im Windschatten von anderen Läufern mitziehen zu lassen. Ein weiterer Vorteil von kürzeren Distanzen ist, dass man mehrmals im Jahr die Möglichkeit hat, etwas auszuprobieren und so aus den Erkenntnissen einer unterschiedlichen Renneinteilung lernen kann.