Interview mit Jasmin Nunige

14. Juni 2016

In Davos geboren und aufgewachsen war Jasmin Nunige als junge Athletin Langläuferin und Mitglied des Schweizerischen Langlaufkaders. Sie vertrat die Schweiz 1994 an den Olympischen Spielen in Lillehammer. Nebst verschiedensten Erfolgen im Langlauf hinterliess Jasmin ihre Spuren vor allem im Berglauf. Sie gewann unter anderem mehrmals den Swiss Alpine K78 und den LGT Alpin Marathon. Im Jahr 2011 erfuhr Jasmin von ihrer Krankheit Multiple Sklerose (MS). Seither beeindruckt sie mit ihrem Umgang mit dieser Krankheit.

Trotz Krankheit bist du immer noch zu herausragenden Leistungen fähig. Wie gehst du mit der Unsicherheit um, dass plötzlich nichts mehr gehen könnte?

Ich bin mir bewusst, dass plötzlich wieder ein Schub kommen könnte. Ich lasse mich aber nicht zu fest davon einnehmen und geniesse den Moment. Um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein, habe ich begonnen, neue Sachen zu lernen oder alte wie zum Beispiel das Reiten wieder aufleben zu lassen. Mein Leben wird also lebenswert bleiben, egal was kommt. 

Welches sind deine Tipps für all jene, die mit einem körperlichen Leiden zu kämpfen haben? 

Es macht keinen Sinn zu kämpfen, sondern man sollte den Körper (heraus)fordern. Kämpfen ist nur über eine kurze Dauer möglich. Das gilt übrigens für alle und insbesondere im Wettkampf: Kämpfen bedeutet «eng werden». Der Körper kann so nicht gleich viel leisten, wie wenn er entspannt ist. 

 

Deine Stärke liegt im Berglauf. Welches sind in deinen Augen die wichtigsten drei Elemente, die sich ein Läufer aneignen müsste, um erfolgreich einen Berglauf zu meistern? 

  1. Sicherheit im Gelände: Sehr oft hat es bei einem Berglauf auch Abwärtspassagen. Dort muss man Sicherheit haben. Man geht also idealerweise immer mal wieder weg vom gewohnten Laufterrain und übt das Laufen auf unebenem Untergrund.
  2. Technik dem Gelände anpassen: Je nach Steilheit ist man schneller, wenn man marschiert oder aber mit kleinen Schritten joggt. Das individuell Effizientere will geübt und automatisiert sein.
  3. Training des Herz-Kreislauf-Systems: Puls und Atemfrequenz sind permanent auf hohem Niveau. Umso wichtiger ist, dass die Grundlage da ist und die spezifische Ausdauer, die am Berg gefordert ist, trainiert wird.

Was läuft bei dir während einem Rennen im Kopf ab? Wie reagierst du auf aufkommende negative Gedanken?

In der Regel bin ich sehr konzentriert, geduldig und realistisch. Es gibt kaum etwas, das mir bewusst durch den Kopf läuft. Vielmehr bin ich im Hier und Jetzt und konzentriere mich unter anderem auf das Terrain und die Strecke. Ich denke an schöne Sachen, geniesse die Natur und betrachte es als grosse Chance, überhaupt hier zu sein. Der Wettkampf ist meine Belohnung für all die Trainingsmüh. 

Man muss aber realistisch sein: Gerade auf einem Ultra kommt eigentlich immer eine Krise. Das ist normal. Aber ich kann mir beweisen, dass ich fähig dazu bin, diese zu meistern. Ich halte mich am Positiven, arbeite mit Bildern (z.B. tolles Training, Zieleinläufe) und positiven Aussagen, die ich in den Körper schicke und damit das Negative verdränge/überdecke.

 

 

Foto: ZVG