Interview mit Natascha Badmann

18. August 2016

Der Verlauf der Karriere von Natascha Badmann ist ungewöhnlich. Mit 17 Jahren wurde sie Mutter, war unsportlich und übergewichtig. 6 Jahre später hatte sie eine Begegnung mit dem damaligen Schweizer Triathlon-Nationaltrainer Toni Hasler, die ihr Leben nachhaltig veränderte. Sie wurde zur absoluten Ausnahmekönnerin auf der Triathlon-Langdistanz, siegte sechs Mal auf Hawaii und wurde auch im Duathlon mehrfache Weltmeisterin. 

Auch heute mit bald 50 Jahren kannst du dich noch mit den Besten messen. Welches sind in deinen Augen die drei wichtigsten Punkte, die zum Erfolg führen?  

Mit meinem Lebenspartner und Coach Toni Hasler haben wir vor vielen Jahren unseren Erfolg veranschaulicht und die 4 Säulen des Erfolgs kreiert. Es sind dies neben dem Training die Ernährung, das Material und das Mentale. In diesen Bereichen veranstalten wir auch Referate und Seminare. Wenn es nur 3 Punkte sein dürfen, denke ich, dass es meine Suche nach dem perfekten Rennen, die akribische Detailarbeit und auch die Liebe zum Sport ausmacht. 

Dennoch möchte ich die 4 Erfolgssäulen etwas ausführen. Betreffend Training und Ernährung ist Toni sicherlich einer der wichtigsten Punkte. Toni weiss genau, wann er mich fordern darf oder muss und wann es darum geht, meinem Körper Ruhe zu gönnen. Nur so war es mir möglich, 25 Jahre Triathlon auf höchstem Niveau zu bestreiten. Zudem ist er einfach ein unglaublich guter Koch. Er passt unsere Menüs meinem Training und meinem körperlichen Befinden an. Das heisst, wenn er weiss, dass die letzte Radausfahrt heftig war und mögliche kleine Entzündungen meinem Körper zu schaffen machen, kocht er nicht einfach nur Gemüse, sondern die jeweilige Sorte, die entzündungshemmend wirkt. Es ist eindrücklich, dass zum Beispiel die verschiedenen Farben der Linsen eine jeweils andere gute Eigenschaft besitzen. 

Mein Material zähle ich zum nächsten Punkt, der mich über all die Jahre zum Erfolg geführt hat. Wir sind immer bestrebt, das für mich beste Material zur Verfügung zu haben. Auch wenn wir mal keine Partnerschaft mit dem Ausrüster erarbeiten können. So kaufen wir das Material lieber, als dass wir mit einem anderen Material arbeiten. Mit meiner Grösse, Alter und Gewicht ist es nicht immer einfach, das Passende zu finden. Wir investieren aber viel Zeit und Geduld, um zu tüfteln und zu recherchieren. 

Der letzte Punkt ist das Mentale. Meine Erfahrungen haben mich hierhin gebracht. Ich durfte in meinem Leben ganz viel lernen und dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe viel an mir gearbeitet und kenne mich. Jeden Tag investiere ich Zeit in mein Mentaltraining. Ich versuche möglichst viele schöne Gedanken für den Tag zu sammeln und auch immer wieder bewusst daran zu denken. Am Morgen wenn ich aufstehe drei Gründe warum dieser Tag der schönste sein kann und am Abend zurückzuschauen und die schönen Momente festzuhalten. Sowohl fürs Training aber auch für das tägliche Leben. Es mag etwas nach „Schönmalerei“ klingen. Ich denke aber, dass jeder Leser dies schon einmal beobachten konnte, dass eine Kleinigkeit, die schief gelaufen ist am Tag, den Tag als verschissen erlebbar gemacht hat. Wir hängen uns oft an Kleinigkeiten auf. Unser Rotstift ist schneller als unser Auge fürs Schöne und Gute im Leben. Darum ist es mir wichtig, meinem Geist ein Schnippchen zu schlagen und mein Auge auf das Gute zu richten. 

Du bist bekannt für deine mentale Stärke. Was läuft bei dir während einem Rennen jeweils im Kopf ab? Wie reagierst du auf allenfalls aufkommende negative Gedanken?  

Das würde jetzt etwas sehr lange dauern alles zu beschreiben. Ich bin ja keine Sprinterin. Mein Rennen dauert doch ab und an mal bis zu 10 Stunden. Da gehen mir sehr viele Gedanken durch den Kopf. Fokussiert zu bleiben über diese lange Zeit ist die grösste Herausforderung in unserem Sport. Und manchmal ist es auch wichtig, mental das Rennen zu verlassen, um kurz mal abzuschalten. Aber nicht zu lange und dies ist wiederum die nächste Herausforderung. Die Balance zwischen Fokus und mentaler Erholung zu finden. Ich habe für verschiedene Situationen Bilder und Gedanken, die ich „hervorholen“ kann. Wenn mein Unterbewusstsein langsam meldet "...ufff, es ist aber streng heute", dann ist das ein Signal für mich, bewusst an z.B. eine Gazelle zu denken, die locker flockig durch die Gegend hüpft. Dies ist jetzt nur ein kleines Beispiel und hört sich ziemlich „locker“ an. Es steht aber viel Training dahinter, dass die weniger guten Gedanken verschwinden und den förderlichen Gedanken Platz machen. Unser Hirn arbeitet dauernd und denkt an sehr vieles, doch wir können nur einen Gedanken gleichzeitig wahrnehmen und diese Eigenschaft mache ich mir zu nutzen. Das alles habe ich in Tonis Mentalseminaren gelernt, die ich auch nach all den Jahren immer wieder besuche und nur weiterempfehlen kann. 

 

Du hast den Weg von der Nichtsportlerin zur Weltklasseathletin geschafft. Mit welchen drei Tipps kann sich jeder, egal welchen Leistungsniveaus, steigern, beziehungsweise höhere Ziele erreichen?  

Wenn das so einfach wäre, würde ich wohl sehr viel Geld mit diesem Ratgeber verdienen. Aber ein wichtiger Punkt der immer wieder vergessen geht ist folgender: Vor dem Training sollte sich jede/r 3 Gründe überlegen, warum er dieses Training jetzt macht. Diese Gründe sollten positiv ausfallen. Falls dies nicht der Fall ist, sollte sich jede/r die Zeit nehmen, um sich hinzusetzen und Gedanken darüber zu machen, warum er/sie diesen Sport überhaupt macht. Welche Gefühle sind denn toll, was löst das Training oder der Wettkampf aus, dass man es immer und immer wieder macht. Diese Gefühle sollten Ansporn und Gründe sein für das tägliche Training. Auch ich absolviere nicht jedes Training mit einem Lächeln. Es gibt etwas „suboptimale“ Tage aber der grosse Teil meines Trainings ist einfach voller Glück und Freude für mich. Leistungssteigerung beginnt für mich in erster Linie im Kopf. Und diese ist lernbar für jeden. 

Seit über 20 Jahren bist du in der Triathlon-Szene mit dabei und hast viel (mit-)erlebt. Auch die Entwicklung der Sportart Triathlon. Wie hat sich das Athleten-Anforderungsprofil im Laufe der Zeit entwickelt?

Es ist eindrücklich wie sich Material und Körper der Athleten verändert haben. Die Leistungsdichte ist enorm geworden. Heute kommen selbst „Hobby-Athleten“ mit Job und Familie auf 25 Stunden Training und die Profi-Athleten fliegen förmlich über die Ironman-Strecke. Gerade vor ein paar Wochen wurde ein neuer Rekord von Jan Frodeno aufgestellt. Als ich angefangen habe, hätte ich nie zu träumen gewagt, dass ein Mensch zu einer solchen Leistung fähig ist. Schneller, höher, weiter... der Sport als Spiegel der Gesellschaft.

 

 

Foto: ZVG