Interview mit Simone Troxler

19. November 2019

Photo: www.alphafoto.com

Vor drei Jahren suchte Simone Troxler einen Ausgleich zu ihrem anstrengenden Medizinstudium und fand ihn schliesslich im Laufen. Seitdem reiht die Athletin aus der Westschweiz einen Sieg an den anderen, unter anderem beim Jungfrau-Marathon.

Wie hast du «deinen» Tag während des schönsten Marathons der Welt erlebt? Kannst du uns Einblick in dein Rennen und deine Gefühlswelt geben?

Während des Laufs schwamm ich im Wechselbad der Gefühle. Die Route ist wunderschön und die dortige Stimmung aussergewöhnlich und motivierend. Es kommen Menschen aus den verschiedenen Dörfern und feuern die Läufer mit Glocken und Alphörnern an, Kinder klatschen in die Hände oder Guggenmusiker sorgen für Stimmung. Das spornt uns an, motiviert und freut uns natürlich. Obwohl das Wetter anfänglich problematisch schien und die Route sehr anspruchsvoll ist, habe ich mich gefreut, starten zu dürfen. Leider wurden die Umstände bereits bei Kilometer 21 kompliziert, weil ich Schmerzen in den Waden bekam. Zu diesem Zeitpunkt war ich an der Spitze und sagte mir, dass ich nicht lockerlassen darf. Es führte nur ein Weg ans Ziel und der ging bergauf. Ich habe durchgehalten. Als ich endlich über die Ziellinie lief, erlebte ich ein Durcheinander an Gefühlen: ich war müde, ich hatte irgendwoher Kraft geschöpft. Aber ich war auch so glücklich über diesen Sieg und stolz es geschafft zu haben und dank meiner mentalen Stärke meine körperlichen Grenzen zu überwinden.  

 

Langstrecken sind deine Stärke. Gleichzeitig hast du mit einem 8. Platz bei der Europameisterschaft im Berglauf exzellent abgeschnitten. Wie sieht dein Trainingsalltag aus? 

Ich habe nicht wirklich eine typische Trainingswoche, da sich mein Stundenplan an der Universität von Woche zu Woche ändert. Oft treffe ich mich mit meiner genialen Laufgruppe zwei Mal pro Woche, um Intervalltraining (einmal mit langen Intervallen und das andere Mal mit kurzen Intervallen) zu machen. Dann folgt ein langer Lauf. Zwischen den Trainings gehe ich joggen. Im Sommer trainiere ich mehr bergauf und bergab.

Es muss vor allem Spass machen. Laufen wirkt vielleicht wie ein monotoner Sport, aber ich finde, das ist es überhaupt nicht. Beim Joggen kann man sich entspannen, sich mit schnellen Sequenzen auspowern, einen Moment für sich haben oder sich auch mit Freunden treffen. Ausserdem ermöglicht es einem, die eigenen Grenzen zu überwinden, den Körper zu spüren, weiter zu kommen und Dinge über sich selbst zu lernen.

Welche sind deiner Meinung nach die drei Schlüssel zu deinem sportlichen Erfolg? 

Theoretisch würde ich sagen: Leidenschaft, Durchhaltevermögen und ein gesunder Lebensstil, bei dem man auf seinen Körper hört und auf seine Gesundheit achtet. Leider ist es manchmal schwierig, Letzteres auch umzusetzen.

 

Je mehr Erfolg man hat, umso stärker werden der Druck und grösser die Erwartungen. Wie gehst du mit dieser Situation um? Welche Ratschläge kannst du Amateursportlern eventuell geben, die vor Wettkämpfen ebenfalls unter Nervosität leiden?

Das ist eine sehr schwierige Situation und ich muss diesbezüglich selbst noch viel lernen. Es tut mir wirklich weh, wenn man mir sagt: «Du wirst es sowieso gut machen» oder «Welche Zeit visierst du an?». Das hat mich unter Druck gesetzt, weil ich den Eindruck hatte, dass man von mir erwartet, schnell zu laufen oder dass ein gutes Ergebnis selbstverständlich sei. Und es hat mich verletzt, weil ich den Eindruck hatte, dass ich mit einer Maschine verglichen werde, bei der man lediglich einen Knopf drücken muss, damit es weitergeht. Ich finde, Laufen ist mehr als Zeit und Zahlen: Es spiegelt wider, wie man sich momentan fühlt, mit allen Einflüssen aus unserem privaten und beruflichen Leben, die sich auf unsere Tagesform auswirken. Deswegen sage ich mir oft «Mit welchem Recht sagen sie mir, ich laufe sowieso schnell oder ich visiere etwas an, wenn sie doch überhaupt nichts über mein Leben neben dem Sport wissen?». Ich versuche, nicht zu viel darauf zu hören und sage mir, dass ich für mich laufe, weil ich es liebe und weil ich sowieso Lust habe, bei diesem Lauf anzutreten. Ausserdem sollte man sich immer sagen, dass sich das Leben nicht am darauffolgenden Tag ändern wird: Ob ich gewinne oder nicht ändert nichts daran, dass ich weiterhin studiere und meine Freunde und Familie sehe. Und das ist viel wichtiger als der Erfolg.

Gibt es einen Geheimtipp, den du uns preisgeben kannst? Ein Schlüsseltraining, einen Ernährungs- oder Techniktipp zum Beispiel?  

Nein, nicht wirklich. Ich finde, um das, was man sich wünscht zu erreichen braucht es ein Gleichgewicht zwischen einer Vielzahl an Faktoren. Die vier wichtigsten sind meiner Meinung nach erstens ein für jede Person angepasstes Training. Wenn das Ziel erstmal gesteckt ist, spielt die Ernährung eine wichtige Rolle, um die nötige Energie zu haben, aber auch um die körperliche Erholung zu optimieren. Ein dritter Faktor sind biologische Prozesse im Körper, die die Gesundheit und die genetischen Anlagen voraussetzen. Mentale Stärke ermöglicht es schliesslich, den Erwartungsdruck beiseite zu schieben, sich selbst zu steigern und die dafür nötige Energie während des Laufens zu mobilisieren.

Foto: ZVG

Wir danken Simone Troxler für die spannenden Antworten.