Interview mit Karl Egloff

26. Februar 2018

Karl Egloff, der Sohn eines Schweizers und einer Ecuadorianerin, bricht einen Rekord um den anderen. Dabei hat lange nichts auf diese Karriere hingedeutet. Der in Quito lebende Bergführer fuhr während 8 Jahren Rennen als Mountainbikeprofi, ehe er mit 30 Jahren sein Talent für Speed Climbing entdeckte.

Deine Erfolge und Leistungen sind beeindruckend. Was ist die Triebfeder deines Handelns?

Die Freiheit, das zu tun, was ich am liebsten mache. Ich bin mit Bergsteigen aufgewachsen und entsprechend stark mit den Bergen verbunden: Mein Vater, der als Bergführer tätig war, hat mich sehr früh mit in die Berge auf die verschiedenen Touren mitgenommen und den Zugang zu dieser einmalige Welt geöffnet. Er hat mich aber aus Respekt gegenüber den Gästen daran gehindert, während den Touren nach den einzelnen Tagesetappen zu laufen, weil dies die Gäste nicht verstanden hätten. Irgendwann kam ich dann aber ins Alter, im dem ich selber entscheiden konnte und frei war. 

Rückblickend bin ich froh, habe ich das traditionelle Bergsteigen gelernt und kann nun mit vollstem Respekt in den Bergen rennen.

Du bist im extremen Gelände und stets am Limit unterwegs. Ein Fehltritt kann fatale Folgen haben. Wie gehst du mit dem grossen Risiko und den Gefahren um?

Speed Climbing findet auf den kommerziellen Routen. Die Herausforderungen sind realistisch und die Gefahren verhältnismässig tief. Um das Restrisiko zu minimieren, plane ich alles bis ins letzte Detail und kalkuliere ganz genau, was ich mache. Zudem besteige ich jeden Berg, den ich mit Geschwindigkeit erklimme, zuerst in aller Ruhe.

Was ein Ueli Steck gemacht hat, ist etwas ganz anderes. Mich reizen die vertikalen Wänden nicht. Ich habe Frau und Kind zu Hause und bin mir der Verantwortung bewusst.

 

Wie teilst du deine Besteigungen ein? Gibt es eine spezielle Taktik, eine ideale Intensität? Wie sieht die Verpflegung aus?

Jedes Mal, wenn ich ein Projekt vor Augen habe, analysiere ich die Anforderungen. Je nach Distanz, Höhenmetern auf und ab, Gelände und Temperatur entscheide ich, wann ich den Rekord angehen soll. Bedingt durch die Jahreszeiten kann es beispielsweise grosse Unterschiede betreffend Temperatur geben, an die ich mich bei mir in Ecuador nicht gewöhnen kann, weil sie nie vorkommen.

Die Intensität kontrolliere ich über den Pulsmesser und laufe nach einem vorher ausgeklügelten Marschplan. Ganz wichtig ist dabei auch die Verpflegung, weil der Kalorienverbrauch in der Höhe enorm hoch und der Magen sehr empfindlich ist. Dies gilt es in der Vorbereitung zu trainieren. Ganz allgemein kann man sagen, dass man ab einer bestimmten Höhe viel Zucker einnehmen und alle 20 Minuten etwas im Mund haben muss. Dies schafft man praktisch nur mit Powerfood wie PowerGels und PowerBar, die wenig wiegen und viel Energie hergeben.

Um mich an die Spezialsituation zu gewöhnen, bin ich im Training in der Regel immer ohne Flüssigkeit unterwegs. In den Tagen unmittelbar vor dem Rekordversuch versuche ich dann möglichst viel Wasser im Körper zu speichern. So konnte ich beispielsweise die 60km lange Besteigung des Aconcagua (11h52) mit 1.5 Litern Wasser schaffen. Diese Flüssigkeit trage ich in einem Rucksack mit, in dem auch der Powerfood, die Kappe, die Handschuhe, eine Daunenjacke und Microsteigeisen drin sind.

Wie sieht dein Trainingsalltag für diese Extrembelastungen aus?

Ich trainiere 6 Mal pro Woche und komme auf rund 20 Stunden. Dabei erklimme ich 5000-7000 Höhenmeter pro Woche, stehe einmal pro Woche auf einem 5000er und laufe einmal pro Woche im Schnee. Je nach Projekt und Planung sehen die Belastungen unterschiedlich aus. Grundsätzlich muss ich das schnelle Klettern und die Geschwindigkeit beim Laufen inklusive Rhythmuswechsel pflegen. Eine entsprechende Einheit sieht zum Beispiel folgendermassen aus: 10-15min Einlaufen, 5x 100 Höhenmeter Vollgas, 10-15min Auslaufen. Eine andere wichtige Einheit ist eine Dauerbelastung mit einem bestimmten Puls. Ziel ist es, dass ich mich richtig wohl fühle mit dieser Intensität.

Neben dem Training und der Arbeit – bin ich 4 Tage pro Woche im Büro und organisiere für aktivferien.com, eine Schweizer Firma Trekking- und Bergtouren – achte ich auf eine ausgewogene Ernährung und 8 ½ Stunden Schlaf.

 

Welches ist deine Trainingsphilosophie? Welche allgemeinen Tipps kannst du dem Hobbysportler mit auf den Weg geben?

Ich liebe, was ich tue. Spass zu haben, ist meine Philosophie. Wenn ich nicht trainiere, fehlt mir etwas. Diese Freude findet man jedoch nicht von heute auf morgen. Das ist ein Prozess.

Mein Tipp ist, dass man versuchen sollte, möglichst viel raus zu gehen an die frische Luft, um Zeit in der Natur zu verbringen und Energie mit nach Hause zu nehmen.

Wann wird man dich an einem Rennen in der Schweiz an der Startlinie sehen?

Das ist eine gute Frage. So sehr mich Starts in meiner zweiten Heimat reizen, so sehr konzentriere ich mich auf mein grosses Projekt „Seven Summits“. Um dieses erfolgreich zu meistern, muss ich viel Zeit in der Höhe verbringen. Dadurch spezialisiere ich mich immer mehr, so dass mein Körper komplett anders trainiert ist, als es bei einem Rennen wie beispielsweise einem Jungfrau-Marathon gefragt wäre.

 

Kannst du uns die Laufszene in Ecuador vorstellen?

Wie in Europa boomt der Laufsport hier in Ecuador. Es gibt die verschiedenen Veranstaltungen wie beispielsweise Strassenläufe, Bergläufe, Bahnwettkämpfe oder natürlich Trailläufe. Die Trailrunning-Szene ist enorm am Wachsen. Jedes Wochenende gibt es 1 bis 2 Rennen mit 300 bis 2000 Teilnehmern. Es gibt aber praktisch keine Preisgelder, weshalb keine Ausländer am Start anzutreffen und die besten Ecuadorianer in Europa unterwegs sind.

Foto: ZVG