Interview mit Adrian Lehmann

1. Dezember 2015

Ende September ist Adrian Lehmann in Berlin seinen vierten Marathon gelaufen. Dabei hat er mit 2:15:08 eine neue persönliche Bestzeit aufgestellt und hat an der Olympia-Limite von 2:14:00 für Rio geschnuppert. Sein nächstes Ziel sind die Cross Europameisterschaften vom 13. Dezember in Hyères (F).

Während andere Marathonläufer wie Viktor Röthlin oder Maja Neuenschwander nach dem Saisonhöhepunkt eine längere Laufpause empfehlen, bist du schon wieder mitten in der Vorbereitung der Cross Europameisterschaften, deinem nächsten grossen Ziel. Wie hast du physisch und psychisch die 42 Kilometer weggesteckt? Welche erholungsfördernden Massnahmen hast du unternommen?  

Körperlich habe ich mich sehr schnell erholt. Bereits nach wenigen Tagen spürte ich keine Muskelschmerzen mehr und hatte schon wieder Lust zu laufen. Dennoch nahm ich mir zwei Wochen Zeit, in denen ich keinen Sport machte, um meinem Körper die verdiente Auszeit zu gönnen. In der dritten Woche nach dem Marathon startete ich dann wieder mit Alternativtraining. 

Im Kopf brauchte ich die drei Wochen unbedingt. Einerseits musste ich das Rennen mental verarbeiten und andererseits war eine Erholungsphase nötig, in der ich mich nicht ständig zu Höchstleistungen pushen musste. Obwohl der Marathon beinahe perfekt lief, suchte ich lange nach Verbesserungsmöglichkeiten. Schliesslich fehlte mir gut eine Minute bis zur Olympia-Limite. Mit dem Suchen begann der Prozess, mich auf die nächste Trainingsphase vorzubereiten. Ich wusste von da an wieder, wo ich an mir arbeiten muss und wie der nächste Schritt aussehen sollte. Ich entschied mich unter anderem, dass die Cross Europameisterschaften mein nächstes grosses Ziel sein sollen, um mich bestmöglich verbessern zu können. 

Spezielle erholungsfördernde Massnahmen habe ich keine unternommen. Nach dem Wettkampf genoss ich mit meiner Freundin noch einige Tage Berlin und schaltete so etwas ab. 

Die Limite für die olympischen Spiele scheint in Anbetracht deiner Leistungsentwicklung zum Greifen nah. Welches sind in deinen Augen die drei wichtigsten Punkte, um dein Leistungsniveau weiter anzuheben?

Das Wichtigste ist, dass ich gesund bleibe und dass ich kontinuierlich trainieren kann. Ausserdem brauche ich Abwechslung im Training, um stets neue Reize zu setzen und bei Laune zu bleiben. Last but not least muss ich an meinem professionellen Lebensstil arbeiten, um die Aufgaben, die der Sport mit sich bringt, mit möglichst geringem Energieaufwand bewältigen zu können. Adrian Lehmann 

Als Marathonläufer sammelt man in der Vorbereitung viele Laufkilometer. Kannst du uns einen Überblick geben, wie viel du pro Woche läufst, alternativ trainierst, Gewichte stemmst und in die Erholung steckst?

Am meisten Zeit investiere ich sicher ins Laufen. Ich bin pro Woche gut zehn Stunden unterwegs. Alternativtraining setze ich nur selten ein. So zum Beispiel, wenn ich ein körperliches Problem habe oder gerade erst aus einer Trainingspause komme. 

Zum täglichen Lauftraining gehört auch mindestens zweimal pro Woche eine Krafteinheit. Die eine dauert circa eine Stunde und die andere 30 Minuten. 

Je nach Befinden dehne und/oder blackrolle ich. Meistens reichen mir 15 Minuten dafür. Wenn ich das an jedem zweiten Tag mache, bin ich absolut zufrieden mit mir. 

Am besten erhole ich mich beim Schlafen. Daher versuche ich mindestens 8.5 Stunden pro Nacht und 30 Minuten am Mittag zu schlafen. Je mehr, desto besser… 

Um die Muskulatur geschmeidig zu halten, lasse ich mich jede zweite Woche 90 Minuten massieren. 

Jeden zweiten Monat richtet ausserdem ein Osteopath mein „Gestell“, das sich beim vielen Laufen gerne verstellt. 

Und zu guter Letzt gehe ich ab und zu ins Solbad oder in die in Sauna, um mich etwas zu entspannen. 

In Berlin ist dir renntaktisch mit der schnelleren zweiten Hälfte ein hervorragendes Rennen gelungen. Etwas, wovon viele Hobbysportler träumen. Welches sind deine wichtigsten Tipps hierzu?

Es ist wichtig, dass man sich richtig einschätzt. In meinem Fall entsteht die Einschätzung im Gespräch mit meinem Coach. Wenige Tage vor dem Rennen vergleichen wir unsere Prognosen, wie die Endzeit sein könnte. Er errechnet die Zeit aus Trainingswerten und ich höre auf mein Bauchgefühl. Wenn wir uns geeinigt haben, dann erstellen wir daraus einen Zeitplan. 

Für mich persönlich ist es immens wichtig, dass ich mich auf den ersten 15 Kilometern genau an den Plan halte. Am Marathontag fühlt sich dieser erste Abschnitt so locker an, dass ich mich immer verleitet fühle schneller zu laufen. Aber Geduld bringt Rosen. 

 Hilfreich ist auch, wenn man sich motivierende Gedanken im Vorfeld überlegt, die man sich als Antwort auf die schlechten Gedanken während dem Rennen geben kann. Denn bei jedem Marathon kommen ab einem gewissen Zeitpunkt schlechte Gedanken. Bei mir zumindest ist es so. Wenn man da schon die richtige Antwort vorbereitet hat, kann das der entscheidende Motivationsfaktor sein, um dran zu bleiben und nicht langsamer zu werden.

Foto: ZVG