Interview mit Christian Mathys

4. April 2016

Seit über 10 Jahren läuft Christian Mathys von Sieg zu Sieg. Weit über 30 Mal stand er zuoberst auf dem Treppchen. In seinem Palmarès sind mehrere Siege an Veranstaltungen des ZKB ZüriLaufCup, an diversen Bergläufen oder am World Airline Road Race 2015 in Dubai. Das Mitglied der Berglauf-Nationalmannschaft ist der schnellste Airlinemitarbeiter der Welt!

Als Pilot bist du viel unterwegs. Wie passt du dein Training den speziellen Gegebenheiten der jeweiligen Länder und Zeitzonen an? Wo läufst du? Wie suchst du dir die Laufstrecken?  

Meistens richtet sich mein Training nach den Arbeitszeiten; die jeweilige Lokalzeit spielt für mich eher eine untergeordnete Rolle. So gehe ich direkt nach der Ankunft an der Destination fast immer Laufen. In Delhi ist dies typischerweise von zwei bis drei Uhr in der Nacht. Damit ich ein Training exakt nach Trainingsplan durchführen kann, laufe ich häufig im hoteleigenen Fitnesscenter auf dem Laufband. Dort muss ich nicht alle 50m an einer Ampel stehen bleiben, nicht bei 40° oder 100% Luftfeuchtigkeit verschmachten oder mir wegen Smog Sorgen um meine Lunge machen. Einige Destinationen haben aber schöne Laufstrecken, geeignetes Laufwetter und teilweise sogar eine öffentliche 400m Bahn, wie zum Beispiel Tokio. Mittlerweilen weiss ich bereits wann und wo ich laufen gehen kann. Als ich aber vor vier Jahren mit den Interkontinentalflügen begann, musste ich vorher schon Google Earth zu Hilfe nehmen um gute Laufstrecken zu finden. Ich hielt Ausschau nach eher flachen Strecken oder nach steilen Abschnitten ohne Strassenkreuzung für Hügelsprints. Letztere fand ich in Montreal und Hong Kong. Mittlere Steigungen kann ich auch gut auf dem Laufband trainieren. 

Du warst Teil des Marathonkaders für die Europameisterschaften 2014, bist Mitglied der Berglauf-Nationalmannschaft und an Strassenläufen immer ganz vorne dabei. Welches sind in deinen Augen die wichtigsten drei Tipps für Läufer für ein erfolgreiches Sportjahr 2016?

  • Höhepunkte setzen und spezifisch darauf hin trainieren.
  • Nach einem guten Trainingsplan trainieren, dabei aber sein Befinden nicht vernachlässigen.
  • Auf die Erholung achten, genügend schlafen und dadurch gesund bleiben. 

Die Bergläufe, die du international bestreitest, enden nicht immer auf dem höchsten Punkt, sondern zeichnen sich durch gleich viele Höhenmeter auf und ab aus. Wie unterscheidet sich die Vorbereitung einer Bergauf-Bergab-Strecke von jener eines «klassischen» Berglaufs?

Leider habe ich bisher noch kein absolut umwerfendes Ergebnis erzielt und kann deshalb hier auch kein Wundermittel liefern. An der letztjährigen up-and-down Berglauf WM ist mir jedoch aufgefallen, dass ich die bergab-Passagen nicht „wegstecken“ konnte, mir dabei die Muskulatur überlastete und anschliessend bergauf viel Zeit verlor. Demnach ist es wichtig, in der Vorbereitung auch wettkampfmässig bergab zu laufen. Am besten trainiert man auf einer dem Zielwettkampf ähnlichen Strecke bergauf und bergab. „Ähnlich“ bezieht sich dabei auf die Steigung, das Gefälle, den Belag und den technischen Schwierigkeitsgrad. 

Eine Stärke von dir ist deine Vielseitigkeit. Kannst du uns einen Überblick geben, wie viel du pro Woche läufst, alternativ trainierst, Gewichte stemmst und in die Erholung steckst?

Meine Vielseitigkeit kommt vielleicht noch von meiner OL-Karriere in der Juniorenzeit. Heute trainiere ich unterschiedlich, je nach Zielwettkampf. Vor einem flachen Rennen (z.B. Halbmarathon) sieht dies folgendermassen aus: Pro Woche laufe ich zwischen 100 und 160km mehrheitlich flach, trainiere fast nie auf dem Fahrrad (mein einziges alternative Trainingsmittel) und mache ein bis zwei Mal pro Woche Kraftgymnastik. Vor einem Berglauf sind die Wochenkilometer wegen den anfallenden Steigungsmetern etwas reduziert und sie sind auch nicht mehr so wichtig. Bei diesem Wettkampftyp bietet sich hingegen das Fahrrad als Trainingsmittel an und ich steige demnach 0 bis 3 Mal pro Woche aufs Rennrad. Die Kraftgymnastik-Übungen erschwere ich mir teilweise noch mit einem Rucksack. Die regenerativen Massnahmen (Dehnen und Eigenmassage) nehmen bei mir auch viel Zeit in Anspruch. Pro Tag sind es zwischen 30 und 90 Minuten.

 

 

Foto: ZVG