Interview mit Julien Wanders

25. November 2016

Der junge Genfer ist der neue Stern am Schweizer "Leichtathletik-Himmel". Er hat bereits mehrere Schweizer Rekorde gebrochen und scheint der potentielle Nachfolger von Markus Ryffel oder Christian Belz zu sein. 

Deine Erfolge sind beeindruckend. Im Jahr 2014 hast du sogar die europäische Bestleistung über 5000m aufgestellt! Welches sind für dich die wichtigsten Punkte für den Erfolg? 

Meine Motivation. Ich habe jeden Tag Lust, noch härter zu trainieren, um meine Ziele zu erreichen. Auch wenn es manchmal schwierige Momente gibt, gelingt es mir immer, diese zu überwinden und den Willen vorwärtszukommen aufrecht zu erhalten. 

Meine Leidenschaft für die Leichtathletik. Ich habe es immer geliebt, Leichtathletik auszuüben und zu schauen. Ich liebe es auch, mich über Trainings(philosophien), ehemalige Läufer und alles rund ums Laufen zu dokumentieren. Ich bin überzeugt, dass meine Leidenschaft und meine Liebe zum Laufen mir viel helfen beim Streben nach Erfolg. 

Mein Umfeld. Ich hatte das Glück, zwei super Trainern (Marco Jaeger und Pierre Dällenbach) im Alter von 15 Jahren zu begegnen. Meine Resultate habe ich zu einem grossen Teil dank ihnen erreicht. Aber auch das ganze Team um mich herum mit Masseur, Sophrologe und Arzt. Und natürlich ist die Unterstützung meiner Familie sehr wichtig!

Einen Grossteil deiner Vorbereitung machst du in Kenia, im Land der Läufer. Welches sind in deinen Augen die drei wichtigsten Unterschiede zwischen den kenianischen und den europäischen Läufern?

Das Laufen ist ein Beruf: In Kenia läuft niemand zum Spass, sondern weil es die Chance bietet, Geld zu verdienen und dem Elend zu entkommen. Die Läufer sind einzig und alleine aufs Training konzentriert. Keine Ablenkung oder andere Beschäftigungen. In der Schweiz gibt es nur ganz wenige, die diesen Lebensstil gewählt haben. 

Die Trainingsgruppen: In Iten trainiere ich manchmal zusammen mit 100-150(!) Läufern. Das hilft, dass man sich gegenseitig bis ans Limit pusht. Eine grossartige Dynamik entsteht dank der Gruppe. In Europa trainieren die meisten Athleten hingegen alleine. 

Das Trainingsgelände: Die stark coupierten Trainingsstrecken prägen die Muskeln. Ebenso profitiert man von den ständigen Rhythmuswechseln. Weiter kommt die Höhenlage hinzu, die für die Langstreckenläufer hinsichtlich roter Blutkörperchen und Blutvolumen von Interesse ist. 

 

Wir sehen dich auf der Bahn, an Strassenläufen und auch im Cross. Kannst du uns einen Überblick geben, wie viel du in welcher Phase des Jahres pro Woche läufst, alternativ trainierst, Gewichte stemmst und in die Erholung steckst?  

In dieser Periode des Jahres laufe ich zwischen 160 und 180 Kilometer pro Woche, wobei ich gegenüber letztem Jahr leicht erhöht habe. Während der Bahnsaison ist das Volumen etwas reduziert, die Anzahl qualitativer Einheiten jedoch erhöht. Ganz allgemein mache ich zwei harte Einheiten pro Woche im Stile von Bahntrainings, Fahrtspiel, Tempo- oder progressivem Long Run. Während der restlichen Woche mache ich mehr oder weniger schnelle Dauerläufe, um die Grundlagenausdauer zu entwickeln. Zusätzlich gibt es einen grossen Teil Schnelligkeit, sei es während dem Techniktraining oder im Kraftraum (2x pro Woche). 

Die Erholung ist ganz entscheidend in unserem Sport. Zwischen den einzelnen Trainings versuche ich mich bestmöglich zu ernähren, viel zu schlafen und mich massieren zu lassen. 

Wenn ich verletzungsfrei bin, mache ich keine alternativen Trainingseinheiten. Bin ich aber verletzt, fahre ich viel Rad, laufe im Wasser, mache Atemtraining, um meine Form zu halten und möglichst schnell wieder zurückzukehren. 

Welches sind deine Tipps für all jene, die dieses Jahr erfolgreich an einem Strassenrennen starten wollen? Kannst du uns 3 Tipps für die Vorbereitung und 3 Tipps für das Rennen geben?

Meine Tipps für die Vorbereitung:

  1. Maximal variieren im Bereich der Trainings, sei es langsamer oder schneller Dauerlauf, Fahrspiel, Bahntrainings, Long Runs. 
  2. Je näher der Wettkampf, desto mehr Akzent aufs spezifische Training legen. Weniger Volumen, mehr Qualität. 
  3. Auf die Erholung achten. Um Verletzungen zu vermeiden lohnt es sich, zwischen den Einheiten mit Massage die muskuläre Spannung zu regulieren. 

Meine Tipps für das Rennen:

  1. Sich nicht den Kopf über eine Zielzeit zerbrechen. Wenn du gut trainiert bist, kennst du deinen Körper gut genug, um nach Gefühl zu laufen. 
  2. Immer positiv sein während der Belastung. Wenn das Leiden beginnt, übernimmt das Mentale die Führung. Man kann seine Grenzen immer verschieben dank mentaler Stärke. 
  3. Maximal entspannt sein während dem Rennen. Wenn es hart wird, haben die Läufer die Tendenz, sich zu verkrampfen. Genau das Gegenteil sollte man tun! Wer entspannt bleibt, spart Energie.
 

 

Foto: ZVG