Interview mit Karl Egloff

4. Juli 2019

Der Schweiz-Ecuadorianer Karl Egloff, der sich zum Ziel gesetzt hat, alle Seven Summits Summits – die jeweils höchsten Gipfel aller Kontinente – in Weltrekordzeit zu besteigen, hat vor zwei Wochen mit 11 Stunden 44 Minuten am nordamerikanischen Denali (6190m, Alaska) eine neue Bestzeit aufgestellt. Nun fehlen nur noch die Gipfel in der Antarktis, in Asien und in Australien bis zur Vollendung seines Ziels.

Wie hast du «deinen» Tag erlebt? Kannst du uns Einblick in deinen Rekordlauf und deine Gefühlswelt geben?

Es war ein grossartiges Erlebnis nach einer intensiven Zeit. Wir waren mehrere Tage vor Ort und haben auf den optimalen Tag gewartet. Das ist dort gar nicht so einfach, weil es 24 Stunden lang hell ist, und man deshalb nicht gut schlafen kann. Kommt hinzu, dass es tagsüber sehr heiss ist und nachts sehr kalt. Erholen ist entsprechend schwierig. Am Tag des Rekordes passte dann alles perfekt.

Mein Gefühl könnte besser nicht sein. Ich bin erleichtert, habe ich dieses Ziel nach 2.5 Jahren Vorbereitung erreicht. Denn eines ist für mich klar: Der Denali ist einer der schwierigsten Berge der 7 Summits. Es gibt nur wenige Gelegenheiten pro Jahr, um ihn zu besteigen. Es sind 4500 Höhenmeter, so viele wie bei keinem anderen, verschiedene Schneeverhältnisse, unterschiedliche Gletscherverhältnisse, extreme Wetterbedingungen mit Kälte (nie über -15°C) und Wind – dass dies alles an einem Tag zusammenpasst, ist sehr selten.

 

Wie bereitet man sich auf ein solches «Abenteuer» vor?

Das eine ist das Kennenlernen der Strecke, das andere das Training. Einen solchen Rekord macht man nicht einfach so, sondern man besteigt den Berg vorher in mehreren Tagen und lernt so jeden Meter genau kennen. Das erlaubt dir dann während dem Rekordversuch, dich voll und ganz auf das Abrufen deiner Leistung zu konzentrieren.

Im Bereich des Trainings war ich dieses Jahr - auch dank meinem neuen französischen Coach - sehr fokussiert auf Trailrunning. Während den letzten 4-5 Wochen vor der Besteigung habe ich rund 25 Stunden pro Woche trainiert. Dabei habe ich insbesondere im Bereich der Geschwindigkeit investiert, so dass ich eine hohe Grundschnelligkeit habe. Dann bin ich auch immer öfter in die Berge gegangen, habe einfache 4000er bestiegen, die es mir erlaubten, schnell hoch- und runterzulaufen.

6 Tage vor dem Denali-Rekordlauf bin ich aus Spanien, wo ich verschiedene Trail-Rennen gelaufen bin, nach Ecuador zurückgekehrt und habe noch einen 6000er und einen 5000er bestiegen, um mich schnell zu akklimatisieren.

Du hast einen Rekord für den Aufstieg und einen für die Kombination aus Auf- und Abstieg erzielt. Wie hast du die Strecke eingeteilt? Was läuft bei einer solchen Herausforderung in deinem Kopf ab? Wie verpflegst du dich?

Mein primäres Ziel war der Rekord für den Aufstieg. Aus diesem Grund war ich im Vergleich zu Kilian Jornet auch ohne Skier unterwegs. Unterwegs denke ich dann vor allem an die Zeit, die es zu schlagen gilt und höre stets in mich hinein. Ich versuche die Intensität optimal zu dosieren und immer wieder die Körpertemperatur zu kontrollieren. Auf keinen Fall darf ich frieren oder zu heiss haben. Gleichzeitig versuche ich mich immer wieder zu entspannen und an etwas Positives zu denken, ohne dabei den Fokus zu verlieren. Ich muss immer konzentriert sein und vor Augen haben, was in der nächsten Stunde kommen wird, welcher Gletscher, welche Passage. In der Nähe des Gipfels können auch bei mir gewisse Bedenken und Ängste aufkommen. «Hoffentlich werde ich nicht schwach» oder «hoffentlich komme ich mit der Höhe klar». Auf den letzten 100 Metern denke ich dann ans Ziel und bereits an den Abstieg.

 

Auf dem Gipfel gibt es ein paar Minuten zum Geniessen, ehe der Abstieg folgt. Dort denke ich dann vor allem daran, möglichst bald im Ziel zu sein. Die Schmerzen im Rücken und in den Beinen kommen allmählich. Auch Krämpfe können dich plötzlich ereilen. Man darf nicht vergessen: Hoch und runter sind es 55km und 4500 Höhenmeter. Es ist eine enorme Belastung, die es gut einzuteilen gilt. Auch mit der Energie, die man sich zuführt. Ich verpflege mich ganz unterschiedlich mit Riegeln, Gels und Nüssen aber auch mit Gummibärchen, Schokolade und Früchten. Man isst aber nicht viel, vielleicht 1x pro Stunde. Trinken tut man dafür verhältnismässig viel.

Bergsteiger benötigen für die gleiche Route inklusive Akklimatisationstage normalerweise 1-2 Wochen. Wie muss man sich als Laie deine Leistung vorstellen?

Das gilt es etwas zu relativieren, denn wenn man einen Rekord macht, hat man sich im Voraus bereits akklimatisiert. Den Unterschied macht aber, dass sie Tag für Tag weitergehen und das ganze Material für die Übernachtungen mitschleppen müssen. Vor dem letzten Abschnitt sind sie ganz wenig unterhalb des Gipfels in einem Lager, so dass es «erholt» dann auch mit der Besteigung klappt.

Ich erhole mich im Gegensatz dazu so gut wie möglich vor dem Start und mache dann alles in einem Zug.

Gibt es einen Geheimtipp, den du uns preisgeben kannst?

Wer am Berg schnell sein will, muss nicht nur in den Bergen laufen, sondern vor allem auch an seiner Grundschnelligkeit arbeiten.

Foto: ZVG