Interview mit Maude Mathys

5. September 2017

Nach dem Titelgewinn bei den Schweizer Meisterschaften Ende Mai durfte sich die Waadtländerin über einen souveränen Sieg bei der Berglauf-Europameisterschaft in Kamnik (SLO) freuen. 

Zehn Monate nach der Geburt Deines zweiten Kindes bist Du wieder auf dem internationalen Niveau angekommen. Welches sind in Deinen Augen die wichtigsten Punkte, die Dich so weit gebracht haben und zum Erfolg führen?

Während meiner Schwangerschaft hatte ich das Glück, mein Training fortführen zu können. Natürlich habe ich die Intensität heruntergeschraubt, habe aber im Gegenzug mein Trainingsvolumen erhöht (während meine ältere Tochter in der Schule war). Im Laufe der Monate habe ich zugenommen und mein Körper ist mit diesem zusätzlichen Gewicht stärker geworden. 2 Wochen nach der Entbindung hatte ich wieder mein ursprüngliches Gewicht und als ich das Training wieder aufgenommen habe, hatte ich deshalb den Eindruck, leicht wie eine Feder zu sein! Doch diese Ergebnisse lassen sich auch auf tägliche Trainingseinheiten zurückführen und darauf, dass ich mich regelmässig in Frage stelle, um weiterhin Fortschritte zu machen. Sobald ich zum Beispiel spüre, dass sich eine gewisse Routine einschleicht oder ich das Gefühl habe, während des Trainings immer das Gleiche zu machen, suche ich nach neuen Ideen und anderen Methoden, spreche dafür mit kompetenten Menschen oder belege Kurse. 

Wie schaffst Du es, den Hochleistungssport und Deine beiden Kinder unter einen Hut zu bekommen? Welche Tipps hast Du für Mamas, die auch Kinder zu Hause haben und gerne an einem Lauf teilnehmen würden?

Zum einen hat es mir unglaublich geholfen, dass ich meinen Job als Krankenschwester aufgegeben habe; so konnte ich beides vereinbaren und war vor allem zu Hause präsent. Zum anderen muss man, wenn man Training und Kinder unter einen Hut bringen will, sich ihrem Rhythmus anpassen, flexibel sein (zum Beispiel das Training je nach Situation und Tagesprogramm ändern) und manchmal ein wenig Kreativität unter Beweis stellen (beispielsweise beim Skilanglauf das Kind auf einem Schlitten ziehen). Glücklicherweise hatte ich nicht zwei Kleinkinder gleichzeitig. Als mein Sohn geboren wurde, ging meine Tochter bereits zur Schule; deswegen trainiere ich hauptsächlich mit 1 Kind. Und wenn ich beide habe, trainiere ich zu Hause (auf dem Laufband oder auf dem Rad) während der Kleine schläft und die Grosse mit ihren 6 Jahren mit Spielen beschäftigt ist.  
Ausserdem habe ich das grosse Glück, dass mein Mann und meine Familie (sowohl meine Eltern, als auch meine Schwiegereltern) mich toll unterstützen und die Kinder hüten, wenn ich sie brauche. Doch manchmal muss man auch richtig früh aufstehen! Es kommt vor, dass ich zwischen 5 und 6 Uhr morgens laufen gehe, wenn der Rest der Familie noch schläft; zum gemeinsamen Frühstück bin ich dann wieder zurück.

 

Kannst Du uns aufzeigen, wie eine typische Trainingswoche bei Dir ausschaut?

Die Trainingswochen ändern sich regelmässig, denn es hängt immer vom Zeitraum ab und ob ich am Wochenende einen Wettbewerb habe. Aber eine relativ typische Woche während der Vorbereitungsphase (ohne Wettbewerb am Wochenende) sieht beispielsweise so aus:
Montag: 75 Minuten Ausdauertraining mit Kinderwagen / Dienstag: 70 Minuten Indoor-Cycling (manchmal danach 10-15 Minuten Unterarmstütz) / Mittwoch: 70 Minuten auf dem Laufband mit 3x9’ schnellem Tempo bei leichtem Aufstieg / Donnerstag: Ruhetag oder 60 Minuten Laufen mit Aufstieg (und mit dem Kind auf dem Rücken) / Freitag: 80 Minuten Hügellauf/ Samstag: 90 Minuten Laufen mit 20 Minuten à 3’30 / km, dann 20 Minuten schneller Aufstieg / Sonntag: 120 Minuten Cycling.  

Es ist wichtig, jeden Lauf in mehrere Abschnitte zu unterteilen, um eine Chance auf den Sieg zu haben. Wie gehst Du dabei vor? Was sind Deine Tipps, um Läuferinnen und Läufer zu motivieren?

Ich versuche immer, mich mit etwas Positivem zu motivieren, zum Beispiel «Wenn der Aufstieg geschafft ist, hast Du schon die Hälfte» oder «Nur noch 5 Minuten leiden... was ist das schon auf den Tag gesehen?» oder «Denke an Deine Familie, die am Ziel auf Dich wartet». Meine Tipps? Immer positiv denken, selbst wenn es gerade nicht gut läuft! Alles hat seine gute Seite (wenn beispielsweise ein Lauf nicht gut war und Sie gezwungen sind (oder beschliessen), einen Gang herunterzuschalten, dann ist das Gute daran, dass Sie weniger Zeit brauchen werden, um sich davon zu erholen und beim nächsten Lauf frischer an den Start gehen können!).  Versuchen Sie auch, sich während dem Lauf Ziele zu setzen, beispielsweise bis zum nächsten Schild zu laufen, die Läuferin vor sich einzuholen, ...  

Gibt es einen Geheimtipp, den Du uns preis geben kannst? Ein Schlüsseltraining, ein Ernährungs- oder Techniktipp zum Beispiel?

Nicht wirklich einen Geheimtipp, aber ich glaube, meine Stärke basiert vor allem auf meiner Unerbittlichkeit und meiner gesunden Lebensweise. Ich habe einen sehr regelmässigen Lebensrhythmus (gegen 21 Uhr 30 gehe ich ins Bett und stehe um 6 Uhr auf, mit ein paar wenigen Ausnahmen), feste Essenszeiten, ernähre mich ohne besondere Diät, aber sehr «light» und koche vieles selbst. Aber ich bin eine richtige Naschkatze und gönne mir jeden Tag etwas Leckeres. 50 g Schokolade am Tag sind das Minimum!
Die Unerbittlichkeit zeigt sich in meinem Training - es kommt wirklich selten vor, dass ich etwas nicht mache, was mein Plan vorsieht oder was ich mir vorgenommen habe. Wenn ich beispielsweise einen Ausdauerlauf von 60 Minuten geplant habe und meine Stoppuhr bei meiner Rückkehr zu Hause 58’ anzeigt, dann hänge ich noch ein kurzes Stück dran, um auf meine 60’ zu kommen.

 

 

Foto: ZVG