Interview mit Stefan Küng

4. März 2024

Foto: zVg

Stefan Küng gehört seit 10 Jahren zur Weltspitze des Profiradsports. Als Kapitän führt der Thurgauer diese Saison das französische Team Groupama-FDJ in die Frühjahrsklassiker, bei denen er 2022 mit Rang drei bei Paris-Roubaix sein bislang bestes Resultat erreichte. An Weltmeisterschaften gewann der 30-Jährige drei Einzelmedaillen bei der Elite im Strassenrennen und im Einzelzeitfahren.

Stefan Küng, was sind deine Ziele für 2024?

Für mich ist es ein Jahr mit vielen Höhepunkten. Zuerst kommen die Frühjahrsklassiker mit der Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix, dann die Olympischen Spiele in Paris und zum Schluss die Heim-WM in Zürich. Dazu fahre ich die Tour de Suisse und die Tour de France. Mein Fokus liegt klar auf den Olympischen Spielen und der WM. Bei Olympia habe ich noch eine Rechnung offen, denn in Tokio habe ich als Vierter im Zeitfahren die Medaille knapp verpasst.

Wenn du dich für eine Goldmedaille entscheiden müsstest, würdest du eine olympische in Paris oder eine WM-Medaille Zürich bevorzugen?

Ich würde am liebsten beide Goldmedaillen gewinnen (lacht). Aber die Olympischen Spiele sind etwas Besonderes, sie finden nur alle vier Jahre statt. Deshalb wäre ein Sieg dort noch spezieller. Dafür darf man bei einem WM-Sieg eine Saison lang das Regenbogentrikot des Weltmeisters tragen.

Du warst in der Vergangenheit oft sehr nah an grossen Erfolgen dran. Hast du für diese Saison im Training etwas verändert oder Neues ausprobiert?

Nichts Weltbewegendes. Die Zusammenarbeit mit dem Physiotherapeuten war diesen Winter intensiver, um meine muskulären Dysbalancen auszugleichen. Ausserdem hat das Team einen neuen Radhersteller, mit dem wir uns abstimmen und das Produkt weiterentwickeln. Und natürlich arbeiten wir alle sehr intensiv im Leistungsbereich und machen unsere Hausaufgaben für diese Saison, damit wir mit dem richtigen Gefühl in die Saison starten können.

Was sind aus deiner Sicht die drei wichtigsten Punkte, die zum Erfolg führen?

Ich setze auf Kontinuität. Wenn man so nahe an der Weltspitze ist, weiss man, dass man Vieles richtig gemacht hat, darauf baue ich auf. Ausserdem mache ich mir immer wieder bewusst, was ich schon alles erreicht habe. Und natürlich arbeite ich jeden Tag hart daran, meine Ziele zu erreichen. Ich möchte nicht zurückblicken und mir sagen müssen, dass ich nicht alles gegeben habe.

Je erfolgreicher man ist, desto grösser werden der Druck und die Erwartungen. Wie gehst du damit um?

Den grössten Druck mache ich mir selbst, denn ich will in jedem Rennen mein Bestes geben und um den Sieg mitfahren. Je besser ich mich vorbereite, desto entspannter bin ich. Das hört sich einfacher an, als es ist, denn auch nach zehn Jahren im Profifeld gibt es Unsicherheiten – zum Beispiel, wenn man in eine neue Saison startet und nicht weiss, wo man im Vergleich zur Konkurrenz steht. Aber meistens ist es ein positiver Druck. Ich empfinde es als grosses Privileg, auf diesem Niveau fahren zu dürfen. Und das ist für mich der wichtige Unterschied: Es ist ein „Dürfen“ und nicht ein „Müssen“. 

Für die Hobbyfahrer beginnt jetzt die Radsaison. Welche Tipps hast du für sie?

Wichtig ist, locker anzufangen und es in den ersten zwei, drei Wochen nicht zu übertreiben. Auch wir Profis fangen langsam an und steigern uns dann. Ausserdem sind die Tage noch nicht so lang hell und die Temperaturen noch niedrig. Das ermüdet den Körper schneller und kann zu Überlastungen führen, wenn man es zu intensiv angeht.

Gibt es einen Geheimtipp, den du uns verraten möchtest?

Es gibt viele Dinge (lacht). Das fängt bei der Wahl des richtigen Materials und dessen Pflege an. Man muss unbedingt darauf achten, dass man ausreichend in den Positionen und Einstellungen trainiert, die man im Rennen braucht. Es ist ein beruhigendes Gefühl, wenn man weiss, wie das Rad auf einer schnellen Abfahrt reagiert. Und auch bei der Ernährung sollte man darauf achten, dass man schon vor dem Rennen weiss, was einem gut tut.