Interview mit Andreas Kempf

2. Februar 2016

Seit drei Wochen bereitest du dich in Kenia, im Land der Läufer, auf die kommende Saison vor. Wo liegen die 3 Hauptunterschiede zwischen den kenianischen und den europäischen Spitzenläufern?  

  1. Kindheit:
    Denn die weit verbreitete Meinung, dass Ostafrikaner genetische Vorteile im Langstreckenlauf haben, konnte (bis jetzt) wissenschaftlich nicht bestätigt werden. Dagegen zeigen Studien, dass sich kenianische Kinder vielmehr bewegen und laufen als europäische Kinder. Das heisst, wenn wir in der Jugend mit dem Training richtig beginnen, sind uns die Kenianer bereits enteilt.
  2. Höhe:
    Die Kenianer leben hier permanent auf bis zu 2400 Metern über Meer. Dadurch sind die Mechanismen in ihrem Körper gewohnt mit weniger Sauerstoff auszukommen. Somit haben sie an den Wettkämpfen in tiefer gelegen Gebieten einen Vorteil, weil ihrem Körper zur Muskelversorgung plötzlich mehr Sauerstoff zur Verfügung steht. Um diesen Effekt auch zu erzielen, begeben sich viele europäische Läufer in Höhentrainingslager.
  3. Perspektiven:
    Während man bei uns vor lauter Ausbildungsmöglichkeiten und Berufschancen fast den Überblick verliert, haben Kenianer genau ein Ziel: Spitzenläufer zu werden! Deshalb gibt es hier so viele Profiläufer wie wahrscheinlich nirgends sonst. Das führt dazu, dass ihre Motivation, ihre Anzahl Trainingspartner und vor allem ihre Erholungszeit grösser sind als bei uns. 

Wenn du dir das Leben und Training der kenianischen Läufer vor Augen führst, in welchen 3 Bereichen könnten selbst Hobbysportler profitieren, wenn sie sich danach richten würden?  

Die Kenianer absolvieren ihr erstes Training des Tages bereits um kurz nach 6.00 Uhr vor dem Frühstück. Weshalb nicht ab und zu vor der Arbeit eine Laufrunde drehen? Das macht wach und gibt ein gutes Gefühl für den ganzen Tag. Zudem hat mich die ausgeprägte Teekultur der Kenianer fasziniert. Deshalb den nächsten Kaffee mit einem Chai Tea Latte mit Honig ersetzen. Und zu guter Letzt könnten sich viele Läufer (inkl. mir) sich ein bisschen Lockerheit und Gelassenheit der Kenianer abschauen, weil unnötiger Stress ist nicht leistungsfördernd. 

Als Schweizer Ausdauersportler ist es schwer, vom Sport alleine zu leben. Viele arbeiten deshalb nebenbei oder studieren an der Uni. Kannst du uns einen Überblick geben, wie dein Tagesablauf aussieht?  

Mit dem Bachelorabschluss in BWL an der Universität Freiburg habe ich das Studium vorläufig auf Eis gelegt, um mich mehr auf den Sport konzentrieren zu können. Und da ich nach dem Trainingslager per 1. Februar eine neue 40%-Stelle als Verkaufsberater bei der BigFriends Running GmbH antrete, wird sich mein Tagesablauf zuerst neu einpendeln müssen. Die Idee ist, dass neben der Arbeit genügend Platz für zwei Trainings täglich und die erforderliche Erholungszeit bleibt. Zudem versuche ich, wenn möglich, mit meinen beiden Mitbewohnern Adrian Lehmann und Christopher Gmür sowie weiteren Läufern in und um Bern zusammen zu trainieren. 

Du bist bekannt für deinen effizienten Laufstil, der dich ohne grossen Krafteinsatz schnell und beschwerdefrei laufen lässt. Techniktraining ist für dich kein Fremdwort, sondern vielmehr fast tägliches Brot. Was würdest du Hobbysportlern neben regelmässigem Techniktraining sonst für "Hausaufgaben" geben?

Vielen Dank für das Kompliment, aber gemäss meinem Trainer laufe ich nach wie vor zu verkrampft im Schulterbereich und der Armeinsatz könnte auch besser sein. Allerdings läuft niemand „perfekt“ und jeder hat bis zu einem gewissen Grad seinen eigenen, unveränderbaren Laufstil. Neben regelmässiger Laufschule und Rumpfstabilisationsübungen, würde ich jedem Hobbysportler folgende einfache Hausaufgaben geben:

  • Bei sitzender Tätigkeit immer wieder einmal kurz aufstehen und einige Schritte gehen.
  • Bei Belastungstrainings immer gut Ein- und Auslaufen (sogar die kenianischen Spitzenläufer laufen z.T. 6:00/km).
  • Sobald es genügend warm ist, einige Runden barfuss auf einem Fussballplatz joggen. Das verhilft, ohne sich darüber Gedanken zu machen, zu einer kräftigeren Fussmuskulatur und zu einem ökonomischeren Laufschritt.
  • Blackroll! Blackroll! Blackroll! Es gibt kein einfacheres und besseres Gerät zur Selbstmassage und somit zur Verletzungsprophylaxe. Ehrlich gesagt, kann ich mir ein Sportlerleben ohne diese Rolle gar nicht mehr vorstellen.
Foto: ZVG