Interview mit Christian Kreienbühl

25. November 2015

Vor wenigen Wochen hast du am Berlin Marathon mit 2:13:57 eine neue persönliche Bestzeit aufgestellt und die Olympia-Limite unterboten. War es das perfekte Rennen?

Nein, es war nicht das perfekte Rennen. Es hat zwar sehr viel gestimmt, aber weiterhin Möglichkeiten zur Verbesserung zu finden, macht für mich einen Teil der Motivation als Sportler aus. Die gesamte Vorbereitung in den Trainingslagern im Engadin verlief sicherlich ideal. Ebenso zum Beispiel die Ernährung vor und während des Marathons. Nicht perfekt war jedoch das mentale Befinden in der letzten Woche vor dem Marathon. Und sicherlich gäbe es an der Einteilung des Marathons einiges zu verbessern. Von Kilometer 30 bis ins Ziel derart zu beschleunigen war zwar spektakulär, aber mit einem regelmässiger eingeteilten Rennen wäre vielleicht sogar eine etwas bessere Endzeit drin gelegen. 

In der Vorbereitung auf den Berlin Marathon hast du mehrere Monate im Engadin trainiert und auf den Höheneffekt gesetzt. Welches sind in deinen Augen die wichtigsten 3 Punkte, auf die sich ein Hobbysportler im Hinblick auf seinen Saisonhöhepunkt konzentrieren könnte?

Fokus: Manche Hobbysportler machen (zu knapp) vor dem Höhepunkt zu viele oder zu lange andere Wettkämpfe und verzetteln sich. Dies kostet nicht nur körperliche Ressourcen, sondern auch mentale Energie. Besser einmal ein Wochenende ins Training investieren, anstatt sich an einem unwichtigen Wettkampf "abzuschiessen”. 

Prophylaxe: Die eigentliche Kunst des Marathons liegt darin, die lange Vorbereitung verletzungsfrei zu überstehen. Der Weg an die Startlinie eines Marathons ist viel länger als von der Startlinie ins Ziel. Darum beispielsweise die Rumpfkräftigung zur Verletzungsprophylaxe nicht vernachlässigen! 

Training: Trainieren hilft: www.ckr.ch Einzige Ausnahme: Während der Tapering-Phase vor dem Wettkampf ist es nicht möglich zu wenig zu trainieren. 

Das grosse Ziel für die nächste Saison sind die olympischen Spiele. Bis jetzt bist du noch nicht selektioniert, weil andere Schweizer dich bis zum Ende der Qualifikationsphase noch überflügeln könnten. Wie stellst du dich als Marathonläufer auf diese Situation ein?

Die Situation und die Rahmenbedingungen (Selektionskonzept von Swiss Athletics) sind seit längerem bekannt und wir Schweizer Marathonläufer wussten von Anfang an, dass "nur" maximal drei Läufer nach Rio gehen dürfen. Somit konnte ich mich auf diese Situation einstellen. Seit ich mich kurz vor der EM 2014 zum ersten Mal ernsthaft verletzte, weiss ich grundsätzlich - wie oben bereits erwähnt - dass es bei keinem Marathon selbstverständlich ist überhaupt an der Startlinie zu stehen. Sollte ich anfangs Mai 2016 definitiv selektioniert werden, würde ich natürlich nochmals so richtig feiern - aber auch wissen, dass noch ein weiter (toller!) Weg bis nach Rio ins Sambódromo vor mir liegt! 

Und wie finanzierst du dein Hobby, das du zu deinem Beruf gemacht hast?

Mit dem Sport verdiene ich nichts. Die finanziellen Beiträge von Sponsoren, Verband, Verein, Preis-/Startgeldern - und natürlich Fanclub (www.ckrfanclub.ch) - decken gerade soeben die Ausgaben für Trainingslager, Wettkämpfe, Ausrüstung, Leistungstests, Sportnahrung, Massagen, etc. Darum arbeite ich neben dem Sport zu einem 50% Pensum bei Equatex (www.equatex.com), womit ich meine "normalen" Lebensunterhaltskosten bewältigen kann. Ausserdem werde ich von der Spitzensportförderung der Schweizer Armee mit Diensttagen unterstützt, die ich in Form von Trainingsmassnahmen absolvieren kann. Ohne dies und ohne einen sehr flexiblen Arbeitgeber wäre es unmöglich, den Sport auf diesem Niveau zu betreiben. Dafür bin ich sehr dankbar!

Der Winter steht vor der Tür. Welches sind deine 3 Trainingstipps (für Hobbysportler), um nächstes Jahr mit guten Voraussetzungen in die neue Wettkampfsaison zu starten?

Weihnachtsläufe: Die Weihnachtsläufe im Dezember bieten eine hervorragende Gelegenheit für kurze, knackige Läufe in toller Atmosphäre. Nach dem Lauf ruhig auch mal den Weihnachtsmarkt und den Glühwein ausprobieren! 

Weihnachtspause: Kein schlechtes Gewissen während der Weihnachtszeit! Feines Essen geniessen, Laufpause einschalten, Motivation tanken und dafür im neuen Jahr wieder konsequent durchstarten. 

Alternativ-Training: Im Winter neue Reize setzen! Zum Beispiel mit Aqua Running dem Eis und der Kälte ausweichen, oder mit Langlauf (Skating oder klassische Technik) den ganzen Körper fordern. Damit verbessert man die Grundlagenausdauer und legt ein solides Fundament für die neue Saison.

Foto: ZVG