Interview mit Eric Rüttimann

2. Juli 2019

Der Sohn des früheren Radrennfahrers Niki Rüttimann sorgt in der Laufszene für Furore. Der 26-jährige holte bereits mehrere Schweizer-Meister-Titel und peilt eine EM-Limite an.

Während dein Vater unter anderem die Tour de France und den Giro d’Italia in den vordersten Rängen beendete, bist du hauptsächlich zu Fuss unterwegs. Stand eine Karriere als Rennvelofahrer nie zur Diskussion?

Meine Eltern haben nie Druck ausgeübt. Vielmehr liessen sie mich selbst entscheiden, was ich tun möchte. So war es meine Entscheidung, vor rund 10 Jahren mit dem Laufsport anzufangen.

Nach drei Jahren habe ich für ein Jahr «umgesattelt». Die Erfolge waren aber in den Radrennen sehr bescheiden. Darum kehrte ich nach anderthalb Jahren wieder zurück zum Laufen. Im Gegensatz zu meinem Vater habe ich schlicht zu wenig Talent und hinzu kommt, dass mir als Quereinsteiger die ganze «Grundschule» des Rennradfahrens fehlte. Ich war viel zu ungeduldig und habe mir dabei die Zeit nicht gegeben, um im Radsport Fuss zu fassen. Im Laufen fand ich sofort wieder den Tritt und die Erfolge kamen schnell zurück. Heute fahre ich immer noch extrem gerne Rad, verfolge jedes Rennen und integriere es als Trainingsalternative.

Im letzten Jahr hast du versucht, die EM-Limite im Marathon zu laufen. In diesem Jahr trittst du vor allem über die kürzeren Distanzen an. Wohin führt der Weg des Läufers Eric Rüttimann?

Das ist eine gute Frage. Auf die Marathondistanz habe ich mich letztes Jahr überhaupt gewagt, weil da die EM-Limite am einfachsten zu laufen ist. Ich war aber in der Vorbereitung viel verletzt und hatte in meinen beiden Marathons jeweils Seitenstechen. Also irgendwie passt das nicht mit der langen Distanz.

Also suchte ich nach neuen Herausforderungen, bin Cross, in der Halle und jetzt auch noch auf der Bahn gelaufen und habe festgestellt, dass ich bei einer Renndauer von 10 bis 30 Minuten am leistungsfähigsten bin.

Nun möchte ich ganz einfach so gute Zeiten wie möglich laufen. Und wer weiss, vielleicht klappt es ja mit einer EM-Limite über 5000m oder 10’000m.

 

 

 

Im Hinblick auf deinen ersten Marathon hast du dich an Tadesse Abraham und seinem Umfeld orientiert und bist zum LC Uster und Urs Zenger gestossen. Welches sind in deinen Augen die wichtigsten Stellschrauben, die geändert wurden und zum Leistungssprung führten?

«Train hard, win easy» trifft auf mich nicht zu. Vielmehr müsste es lauten «Train smart, win easy». Seit ich der Trainingsphilosophie von Urs folge, trainiere ich viel weniger intensiv als früher. Im Zentrum stehen dagegen viel Grundlagenarbeit und wenig harte Trainings und dadurch die Verbesserung der anaeroben Schwelle.

Die Umfänge sind in etwa gleich geblieben. Ich trainiere weiterhin an sechs Tagen zwei Mal am Tag. Bloss in Sachen Rumpfstabilität habe ich den Aufwand begonnen zu intensivieren.

5000m, 10km, Halbmarathon, Marathon – überall hast du Erfolge feiern können. Welches sind in deinen Augen die wichtigsten Punkte, die zum Erfolg führen?

  • In Bezug auf das Training und die physische Entwicklung ist das Allerwichtigste eine gute Gesundheit. Es spielt eigentlich weniger eine Rolle, was oder wie genau trainiert wird, sondern dass man dabei im Idealfall über Jahre gesund und verletzungsfrei bleibt.                 
  • Für den sozialen Aspekt ist ein unterstützendes und motivierendes Umfeld von grosser Bedeutung. Im Leistungssport, wie auch sonst im Leben, ist man teils grossen Belastungen ausgesetzt und je grösser der Rückhalt durch Partner / in, Familie und Freunde, desto besser lassen sich alle Hürden meistern.
  • Wenn man Spass hat an dem, was man tut, fällt alles einfacher und der Erfolg kommt fast von alleine.
  • Es ist eine Kunst und Herausforderung zugleich, an der Startlinie und während dem Rennen locker und gelassen zu sein. Doch genau dies hilft, das persönliche Maximum zu erreichen.

Gibt es einen Geheimtipp, den du uns preisgeben kannst?

Ein Trainingsplan ist nicht in Stein gemeisselt. Vertraue auf dein Bauchgefühl und lass dich durch die Zahlen nicht verunsichern. Für aussergewöhnliche Leistungen darf man auch immer ein wenig verrückt sein. Ich denke es ist in Ordnung mal eine Schraube locker zu haben.

Foto: ZVG