Interview mit Brigitte Wolf

1. August 2017

2003 gewann Brigitte Wolf zusammen mit Vroni König-Salmi und Simone Niggli-Luder WM-Gold in der Staffel und Bronze in der Langdistanz. Seit 1995 lebt die Bündnerin im Wallis, wo sie unter anderem als Rennleiterin des Gondo Marathons amtet.

Während vielen Jahren warst du erfolgreich als OL-Läuferin unterwegs. Was würdest du in deiner Aktivkarriere anders machen, wenn du das Rad der Zeit zurückdrehen könntest?

Das ist eine schwierige Frage. Die Zeit als OL-Läuferin ist schon so lange her... Ich war sicher oft zu ehrgeizig und stand mir manchmal selbst im Weg. Um das zu erkennen, musste ich diese Erfahrung aber zuerst machen. Es ist also müssig, sich zu fragen, was man anders hätte machen sollen. Heute bin ich immer noch leistungsorientiert, suche aber nicht mehr den Wettkampf, sondern lote meine Leistungsgrenze beim Klettern und im Hochgebirge aus – ganz ohne Zeiten oder Ranglisten. Wenn ich das Rad der Zeit zurückdrehen könnte, würde ich vielleicht eine Laufbahn als Bergsteigerin einschlagen.

Heute bist du nicht mehr als Athletin unterwegs, sondern in der Organisation eines spektakulären Events. Welches sind die Herausforderungen in der heutigen Zeit für Organisatoren solcher Veranstaltungen?

Für den Gondo Marathon ist die grösste Herausforderung, als «kleiner» Lauf mit wenigen Teilnehmern trotzdem über die Runden zu kommen. Wir haben kein grosses Budget und können nicht viel Werbung machen. Wir möchten zwar gar nicht viel grösser sein; denn das Familiäre ist unser Markenzeichen und die Örtlichkeiten und das derzeitige Konzept lassen keinen Grossevent zu. Dennoch brauchen wir natürlich eine gewisse Anzahl Läuferinnen und Läufer!

Der Gondo Marathon erinnert an das Unwetter im Jahr 2000. Kannst du uns den Event vorstellen und Argumente für eine Teilnahme liefern?

Im Oktober 2000 verloren 13 Menschen von Gondo bei einem Erdrutsch ihr Leben. Zwei Jahre später fand der erste Gondo Marathon statt. Es ist der einzige Doppelmarathon der Schweiz. Am ersten Tag läuft man von Gondo über den Simplon- und Bistinenpass nach Ried-Brig und am zweiten Tag über den Stockalperweg wieder zurück. Mit Ausnahme von wenigen Kilometern unterscheiden sich die beiden Laufstrecken. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer essen und übernachten gemeinsam im Schulhaus von Ried-Brig. Es ist alles sehr familiär und man kennt sich! Dafür gibt es auch auf der Strecke nur wenige Läuferinnen und Läufer, sodass man auch mal ganz alleine unterwegs ist.

Warum engagierst du dich als ehemalige OL-Läuferin für einen Ultratrail?

Ich habe in meinem Leben viele Wettkämpfe bestritten, Orientierungsläufe, aber auch Langstreckenrennen. Dann haben jeweils viele Leute für mich ehrenamtlich gearbeitet. Bei einem Rennen möchte ich dieses Engagement an andere Läuferinnen und Läufer weitergeben. Der Gondo Marathon passt irgendwie zu mir und meinen Ideen. Der «Lohn» dafür sind die glücklichen Gesichter und die Dankbarkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. 

Gibt es einen Geheimtipp, den du uns preis geben kannst? Ein Schlüsseltraining, einen Ernährungs- oder Techniktipp zum Beispiel?

Das Spannende beim Gondo Marathon ist, dass man am ersten Tag weiss, dass ein zweiter Marathon folgen wird. Auf dem langen Abstieg vom Bistinenpass bis ins Ziel lohnt es sich, die Handbremse nicht ganz zu lockern, damit man sich keinen Muskelkater holt. Wer am Gondo Marathon gut sein möchte, muss nicht nur Bergtrainings machen, sondern auch abwärts laufen können. Wichtig ist natürlich, sich direkt nach dem ersten Marathon gut zu verpflegen und möglichst viel Energie und Flüssigkeit für den nächsten Tag zu tanken. Interessant ist, dass jeweils viele Läuferinnen und Läufer überrascht sind, wie fit sie am zweiten Tag noch sind.

Foto: ZVG