Dank Fell-Ski: Klassisch-Langlauf im Aufwind

ANDREAS GONSETH 10. Januar 2024

Foto: IMAGO

Vielseitige Fell-Ski sorgen dafür, dass im klassischen Stil auch ohne Wachs sehr sportlich gelaufen werden kann. Die wichtigsten Punkte.

Lange Zeit lautete im Klassisch-Langlauf die Devise: Entweder sehr sportlich laufen und selber wachsen oder gemütlich laufen und dafür mit Schuppen. In den letzten Jahren hat sich durch das (Wieder)Aufkommen von Fell-Ski die Situation aber massiv verändert. Der Diagonal-Stil wird immer populärer, und dies vor allem auch bei Läuferinnen und Läufern, die bislang vor allem aufs Skating setzten und sich nicht mit Wachsproblemen auseinandersetzen möchten.

Argumente für den Klassisch-Stil aus gesundheitlicher Sicht gibt es schon lang. Klassisch-Langlauf ist eine der gesündesten und komplettesten Sportarten überhaupt und fordert mit seiner Bewegungsvielfalt zwischen Diagonal- und Doppelstocklaufen ein- oder beidbeinig alle Muskelgruppen des Körpers. Tempo und Laufstil können – im Gegensatz zum Skating, wo Einsteiger im ansteigenden Gelände oft rasch am Limit sind – perfekt dem Gelände angepasst werden, wodurch auch lange Trainings gut möglich sind. Balance und Stabilität sind zudem in der Spur besser zu kontrollieren als beim Skating und spezielle Loipen nur für Klassisch-Läufer bieten fantastische Landschaftserlebnisse. Und nicht zu vergessen vor allem für Laufsportler: Die Bewegungsverwandschaft zum Laufsport ist beim Klassisch-Langlauf durch den Fussabdruck und das ähnliche Zusammenspiel von Armen und Beinen deutlich grösser als beim Skating. 

Click & Run

Benötigte das Klassisch-Langlaufen früher eine gezielte materielle Vorbereitung mit spezifischen Wachskenntnissen, heisst es mit einer neuen Generation-Fell-Ski heute nur noch: Click & Run – reinsteigen und losgleiten. 

Mittlerweile buhlt jeder Hersteller mit mindestens zwei oder gar mehr Modellen um die Gunst der Klassisch-Läufer. Und vorbei sind die Zeiten, als mit Nowax-Ski in erster Linie die gemütlichen Skiwanderer angesprochen wurden. Es gibt Fell-Ski für Einsteiger, für gute Läufer und sogar für Rennläufer. Die Hersteller bauen die Ski nach Leistungs- und Gewichtsklassen sehr differenziert mit unterschiedlichen Spannungen und Härtegraden. Dadurch kann die Abstosszone perfekt an die individuellen Eigenschaften angepasst werden. Je nach Sportlichkeit unterscheiden sich auch die Beläge. Rennski haben einen teureren und schnelleren Rennbelag als solche für Einsteiger.

In ihrer Konstruktion sind Fellski grundsätzlich gleich aufgebaut wie Klassisch-Wachsski und stehen diesen in ihren dynamischen Eigenschaften in nichts nach. Einziger Knackpunkt: Im Ski muss je nach Felldicke und Fellfläche Platz im Belag ausgespart werden, in den das Fell eingelassen wird. Bei sehr sportlichen Modellen werden oft zwei dünne Fellstreifen leicht versetzt aufgeklebt, im Allroundsegment eher nur ein Fell mit etwas grösserer Fläche. Je impulsiver und präziser der Abstoss, desto kleiner darf die Fellfläche sein. Der Vorteil davon ist, dass das Fell in Gleitphasen möglichst wenig stört.

Die Fellstreifen werden entweder aufgeklebt und können dadurch selbst ausgewechselt werden (z. B. bei Modellen von Salomon) oder sie sind in die Aussparung reingeleimt (Rossignol, Fischer). Dadurch halten sie zwar besser, können aber nur vom Spezialisten unter viel Wärme rausgelöst und ersetzt werden.

Laut Fabian Schaad von Schaad Sport in Studen halten einzelne Felle zwischen 800-100 Kilometern. «Die Lebensdauer hängt aber nicht nur von den gefahrenen Kilometern ab, sondern auch vom Leistungsniveau und der Schneebeschaffenheit, auf der gelaufen wird», so der Spezialist. «Harte oder eisige Loipen nutzen die Felle stärker ab als frischer Tiefschnee.»

Abgenutzte Felle erkennt man daran, dass sie selbst bei nur leichten Aufstiegen Kkinen kräftigen Abstoss mehr erlauben und wegrutschen, also «spitz» werden, wie es in der Langlaufsprache heisst. Fabian Schaad empfiehlt, die Felle so lange wie möglich zu laufen. «Solange man noch steigen kann, sollte man sie behalten, denn die Gleiteigenschaften sind abgenutzt besser als bei neuen Fellen, die etwas bremsen beim Runterfahren.»

Kein Bindungs-Wirrwarr mehr

Die Steig- und Gleiteigenschaften von Fellski lassen sich mit einem weiteren «Trick» verbessern: Die meisten Fell-Ski weisen mittlerweile verstellbare Bindungen auf. Je nach Verhältnissen kann man durch Vorschieben oder Zurücksetzen der Bindung die gewünschte Eigenschaft verbessern. Braucht es mehr Grip im Abstoss (z. B. in längeren Anstiegen) schiebt man die Bindung etwas nach vorne, will man Druck vom Fell nehmen, damit der Ski schneller läuft (bei langen Flachpassagen oder Abfahrten), kann die Bindung mit einem Klick ohne Werkzeug nach hinten geschoben werden.

Und existierte noch vor wenigen Jahren ein regelrechtes Bindungs-Wirrwar, bei dem je nach Hersteller die Schuhe nicht an markenfremde Bindungen passten, haben sich die Systeme vereinfacht und man kann mit einem neuen Klassisch-Schuh in praktisch alle Bindungen fremder Marken steigen.

Einfache, aber regelmässige Pflege

Wie bei Tourenski-Fellen sind die Felle von Klassisch-Langlaufski entweder aus reiner Mohairwolle von der Angoraziege gefertigt oder bestehen aus Synthetik oder einem Mischgewebe. Grundsätzlich gilt: Je mehr Mohair, desto schneller gleitet der Ski, denn Mohairwolle absorbiert Feuchtigkeit und ist gleichzeitig wasserabweisend, was einen Ski schneller macht.

So einfach Fellski einzusetzen sind, so simpel ist deren Pflege. «Alle 2-3-Mal das Fell mit einem wasserabweisenden Fell-Spray imprägnieren wäre gut», sagt Fabian Schaad. «Dadurch minimiert man die Gefahr, dass die Felle vereisen oder Schnee kleben bleibt. Ab und zu können die Fellstreifen zudem mit einem Flüssigwachs eingesprayt werden, um die Gleiteigenschaften zu optimieren.» Vom Einsatz von Heisswachs hingegen rät der Experte ab: «Das ist heikel und sollte man einem Experten überlassen, damit man das Fell nicht verbrennt.»

Und wie bei Skating- oder Klassisch-Wachs-Ski gilt: Die Gleitzone (hinten und vorne) sollte regelmässig mit Gleitwachs behandelt und gepflegt werden. Diesen Service bietet jedes Fachgeschäft an.

Neues Zielpublikum

Wer mit dem Gedanken liebäugelt, seinem Bewegungsrepertoire mit Klassisch-Langlaufen neuen Auftrieb zu verleihen, sollte es unbedingt einmal versuchen. Zum Einstieg einen Ski mieten kann man in jedem Wintersportgeschäft. Wer einen Fell-Ski kaufen will: Für den Allroundeinsatz sind Modelle ab rund 300 Franken erhältlich, leichte Highend-Ski mit Karbon kosten bis 900 Franken.

Bislang überzeugte Skater können mit Fell-Ski die Vorzüge beider Stile miteinander verbinden. Und auch mit Fell-Ski lässt sich erstaunlich schnell laufen, ein guter Klassisch-Läufer kann mit mittelprächtigen Skatern problemlos mithalten. Eine weitere Zielgruppe ist die wachsende Anzahl sportlicher Senioren, die seit den Achtzigerjahren sportlich vielseitig unterwegs sind, mit einem leistungsstarken Herz-Kreislauf-System ausgestattet sind, aber langsam Abstriche an ihrem Bewegungsapparat hinnehmen müssen. Für Knie- und Hüftgelenke ist Klassisch-Langlauf die ideale Lifetime-Sportart.