«Mit 35 Jahren geht’s bergab»

19. August 2020

Die wissenschaftliche Forschung weist unmissverständlich nach: Die Leistungsfähigkeit nimmt im Alter ab.

 

Fragt man bei aktiven und kürzlich zurückgetretenen Spitzensportlern nach, wie sich das Alter bei ihnen bemerkbar macht, muss man Esther Süss (46) zustimmen. Die Marathon-Weltmeisterin von 2010, welche bis vor zwei Jahren immer noch namhafte Wettkämpfe wie das Black Forest Ultra Bike oder das Grand Raid mit Streckenrekord gewinnen konnte, findet: «Das Alter ist doch nur eine Zahl.»

Dass derartige Ausdauerleistungen auf höchstem Niveau «durchaus möglich» sind, bestätigt Saskia Gehrig. Die Sportwissenschaftlerin hat sich während ihrer Dissertation in Humanphysiologie mit Alterungsprozessen im Skelettmuskel beschäftigt. «Wissenschaftlich ist es heute erwiesen, dass die Muskelfaserverteilung und damit der Anteil an Muskelfasern vom Typ 1, welche vor allem bei Ausdauerleistungen mit begrenztem Kraftaufwand aktiv sind, von trainierten Sportlern im Alter erhalten werden.»

Ab wann ist ein Sportler alt?

«Der Peak der Leistungsfähigkeit im Ausdauersport kann bis ins Alter von rund 35 Jahren aufrechterhalten werden», erklärt Gehrig. «Danach folgt zwischen 50-60 Jahren ein moderater Leistungsabfall, der daraufhin stärker ausfällt. Die Abnahme der maximalen Sauerstoffaufnahme im Alter scheint dabei der Schlüsselmechanismus zu sein, welcher mit der altersbedingten Einbusse der Leistungsfähigkeit korreliert. Die Faktoren, die zu dieser Abnahme führen, sind allerdings noch nicht vollständig geklärt. Es scheint, dass eine Reduktion des maximalen Schlagvolumens, aber auch eine Reduktion der maximalen Herzfrequenz sowie der arterio-venösen Sauerstoffdifferenz eine Rolle spielen. Zusätzlich kann auch ein Zusammenhang mit abnehmenden Trainingsintensitäten und -volumina mit fortschreitendem Alter festgestellt werden.»

Wissenschaftlerin Saskia Gehrig führt weiter aus: «Pro Dekade nimmt die Leistungsfähigkeit bei weiblichen und männlichen Ausdauerathleten um rund 7-14% ab. Um dem entgegenzuwirken, muss die Trainingsintensität und das Trainingsvolumen möglichst beibehalten werden.»

Familie, Job, Verletzung

Das gelingt nicht allen Athleten gleich gut. Irgendwann nehmen die Familie und neue berufliche Verpflichtungen einen höheren Stellenwert ein als der Sport. Die siebenfache «Miss Gigathlon» Nina Brenn (40) sagt von sich: «Nicht die Leistungsfähigkeit hat nachgelassen, sondern mein ‹Biss›, in jeder freien Minute noch ein Training reinzuschieben.»

Mountainbike-Legende Thomas Frischknecht machte gegen Ende seiner Karriere zunehmend die Diskrepanz zwischen Wollen und Können zu schaffen: «Am Ende meiner Karriere wusste ich im Kopf, was ich alles kann. Aber meine Beine lieferten das nicht mehr.» Plötzlich geht es also darum, «dem Körper acht zu geben und die Gesundheit in den Vordergrund zu stellen», so Frischi.

Ernährung und Krafttraining

Vielseitiges Sporttreiben sowie eine ausgewogene Ernährung werden im Alter zunehmend wichtig, wenn man sportlich Leistung erbringen will. Aus wissenschaftlicher Sicht untermauert Saskia Gehrig: «Ernährung und Krafttraining dienen dem Erhalt der Leistungsfähigkeit und der Verletzungsprophylaxe.» Gerade älteren Sportlern sei eine hohe und regelmässige Proteinaufnahme empfohlen. «Vier bis fünf Mal täglich rund 30-40 Gramm hoch-qualitatives Protein», rät die Expertin. «Verbunden mit regelmässigem Krafttraining kann die Muskelmasse im Idealfall bis ins Alter von 60 Jahren aufrechterhalten werden. Danach – so zwischen 60 und 70 Jahren – folgt gemäss dem momentanen Stand der Wissenschaft ein verstärkter Leistungsabfall.»

Welche Sportarten sich für aktive Senioren ganz speziell eignen und wie man sie am sinnvollsten betreibt, liest du hier.

 

 

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