Was hilft, wenn Muskeln verspannen – oder sogar verkürzen?

6. März 2024

Foto: iStock/1BSG

Das Thema Dehnen ist im Laufsport ein Dauerbrenner. Immer wieder gibt es neue Erkenntnisse zum statischen oder dynamischen Dehnen. Früher galt, dass statisches Dehnen sowohl vor wie auch nach dem Sport zu einem Trainingsprogramm dazugehört. Heute weiss man, dass passives Dehnen die Muskelspannung heruntersetzt. 

Das kann helfen, wenn nach einem Lauf Verspannungen auftreten, um den Tonus im Muskel zu regulieren. Gut aufgewärmt, wird der Muskel dabei für 60-90 Sekunden in der Endposition gedehnt. Im gedehnten Muskel sollte ein Gefühl des Nachlassens wahrgenommen werden.

Das statische Dehnen vor dem Joggen oder dem Sport generell macht hingegen wenig Sinn. Das Herabsetzen der Muskelspannung ist hier kontraproduktiv, denn weniger Muskelspannung bedeutet weniger Leistung. 

Ein wichtiger Aspekt beim Aufwärmen vor dem Joggen ist die Beweglichkeit. Sitzen wir zum Beispiel zu lange in einem Bürostuhl und verkürzen in dieser Haltung, kann das einen negativen Einfluss auf die Lauftechnik und -leistung haben. Auch für unsere Füsse und Unterschenkel sind lange Sitzphasen vor dem Joggen nicht ideal, um danach leichtfüssig loszulaufen. Fuss- und Wadenmuskeln können auch durch vermehrtes Laufen verspannen und verkürzen. 

Statt dem statischen Dehnen kommen hier aktive Bewegungsübungen zum Zug. Dabei wird das Gelenk aktiv hin und her bewegt und der Muskel mit Spannung in eine verlängerte Position gebracht. Dies erhöht nicht nur die Beweglichkeit im steifen Gelenk, sondern macht auch den Muskel bereit für die kommende Leistung. Wir stellen vier Beweglichkeitsübungen vor.

Fusssohle lösen

Mit der ersten Übung wird die Fuss- und Wadenmuskulatur «aufgeweckt» und in die richtige Spannung und Länge gebracht. Der Druck des Balles hilft, Verspannungen im Fuss zu lösen und die Sensorik zu steigern. Durch die Bewegung im Sprunggelenk werden die Fussmuskeln gelöst und die Wadenmuskeln profitieren von dieser neuen Länge und Spannung. Durch das aktive nach vorne Bewegen passt sich die Spannung in der Wadenmuskulatur automatisch an und das Sprunggelenk wird mobilisiert. Das Bewegen des Knies erfordert zudem eine erhöhte Bewegungskontrolle und führt so zu einer stabileren Beinachse.

So geht's: 

  • Barfuss oder in Socken einen harten Ball unter die Fusssohle legen. Die Ferse bleibt auf dem Boden. Den Ball so platzieren, dass keine Fussknochen direkt auf dem Ball zu liegen kommen, sondern nur Weichteile. 
  • Nun mit dem Knie in einer gedacht horizontalen Linie vor- und zurückbewegen, dadurch wird der Druck des Balles verstärkt. 
  • Den Ball an verschiedenen Stellen unter dem Fuss platzieren, das darf auch gerne etwas unangenehm sein.

Aufgepasst: Das Knie bewegt in einer Linie über dem Fuss vor und zurück. Die Ferse bleibt am Boden. 

Dosierung: 2 Serien à 20 Wiederholungen pro Fuss.

«Good Mornings»

Verspannungen und Verkürzungen vermindern die Laufleistung. Ein zu kurzer Muskel verliert an Leistung, da er nicht mehr über seine volle Beweglichkeit verfügt und am Ende der Bewegung kaum mehr Kraft hat. Die Kraft in einer verlängerten Position kommt erst, wenn der Muskel in seiner maximalen Länge auch trainiert wird.

Eine verkürzte oder verspannte hintere Oberschenkelmuskulatur kann mit der Übung «Good Mornings» in eine bessere Länge gebracht werden. Wichtig dabei ist das langsame nach vorne Beugen des Oberkörpers. Leichte Bremsaktivitäten im Muskel lassen diesen besser entspannen und helfen, Muskelzellen in der Länge des Muskels einzubauen. Der Muskel wird wieder länger und verfügt über mehr Kraft in der Endposition.

So geht's: 

  • Hüftbreiter Stand, gerader Rücken, Arme über der Brust gekreuzt, Knie sind leicht gebeugt. 
  • Langsam so weit nach vorne beugen, wie es möglich ist, ohne dabei den Rücken zu bewegen. Die Bewegung findet nur in beiden Hüftgelenken statt. Am Ende der Bewegung sollte der hintere Oberschenkel ziehen. 
  • Danach wieder in die Ausgangsstellung zurückbewegen. Der Rücken bleibt auch bei der Bewegung zurück nach oben aufgerichtet und gerade. 

Aufgepasst: Gegen Ende der Bewegung darauf achten, dass der Rücken nicht rund wird. Knie bleiben immer leicht gebeugt und nach vorne ausgerichtet. Um den Nacken in seiner Aufrichtung zu halten, den Blick in der vorgebeugten Position zum Boden richten.

Dosierung: 2 Serien à 20 Wiederholungen.

Oberkörper «verschrauben» 

Das Ziel einer verbesserten Beweglichkeit ist immer auch eine verbesserte Funktion beim Laufen. Funktionelle Dehn- und Beweglichkeitsübungen zielen somit auf die Bewegungsabläufe im Laufsport ab. Sitzen wir zu lange am Bürotisch und bekommen eine steife Brustwirbelsäule, hat dies einen negativen Einfluss auf die Laufleistung. Je steifer der Brustkorb, desto kleiner das Atemvolumen und desto schlechter die Verschraubung zwischen dem Becken und dem Oberkörper beim Laufen. Die nächste Übung zielt genau auf diese Problematik ab und trainiert dazu die Standbeinphase, vor allem die Muskeln der Hüft- und Beinstabilisatoren.

So geht's: 

  • Auf einem Bein stehen, das andere Knie vorne nach oben ziehen, so dass der Oberschenkel mindestens in die Horizontale kommt. 
  • Die Arme seitlich in die Luft strecken und die Ellbogen in einem 90° Winkel beugen, die Hände zeigen nach oben. 
  • Nun Oberkörper zum hochgezogenen Bein hin so weit drehen, wie dies möglich ist. Das Becken darf sich dabei nicht bewegen. In der verdrehten Endstellung tief ein- und ausatmen, danach wieder in die Ausgangsstellung zurückdrehen.  

Aufgepasst: Das Drehen des Oberkörpers zieht bei einer schlechten Beweglichkeit das Becken mit sich. Hier muss zwingend dagegengehalten werden. Das Becken in die Gegenrichtung drehen oder zumindest festgehalten. Die Beinachse des Standbeines bleibt gerade. Das hochgezogene Knie zeigt gerade nach vorne parallel zum Standfuss.

Dosierung: 2 Serien à 10 Wiederholungen pro Seite.

In den Ausfallschritt gleiten

Beinachsenstabilität und Hüftstreckung sind zwei enorm wichtige Faktoren beim Laufen. Mit einer mangelnden Stabilität in der Beinachse kommt es bei jedem Schritt zu einem Einknicken oder Abdrehen des Standbeines. Die gerade Ausrichtung des Knies nach vorne in der Laufbewegung verhindert zudem eine Überlastung der Beinstrukturen. Weicht die Beinachse ab, benötigt es Kraft, um wieder in die gerade Position zu kommen. Diese fehlt dann für die Vorwärtsbewegung.

Verkürzt häufiges Sitzen die Hüftmuskeln, sinkt die Hüftbeweglichkeit. Die Hüftstreckung hat einen direkten Einfluss auf die Laufleistung. Je weiter das Bein nach hinten gestreckt werden kann, desto besser ist der Abdruck nach vorne und somit auch die Laufgeschwindigkeit. 

So geht's: 

  • Aufrechter Stand in Socken, Becken und Rücken aufrichten. 
  • Nun gleitet das eine Bein nach hinten, bis das hintere Knie fast den Boden berührt. Das Becken bleibt aufgerichtet. 
  • Das hintere Bein wieder nach vorne gleiten lassen.
  • Variante: Die Übung kann auch mit Schuhen gemacht werden, dann muss aber unter dem gleitenden Fuss ein Handtuch platziert werden.  

Aufgepasst: Bei verkürzten Hüftbeugern wird das Becken allenfalls nach vorne mitgezogen. Mit den unteren Bauchmuskeln das Becken aufrichten und in dieser aufgerichteten Position halten. Das Knie bleibt gerade nach vorne ausgerichtet und dreht nicht zur Seite weg

Dosierung: 2 Serien à 10 Wiederholungen pro Seite.