Wie lange verbessert eine Gewichtsabnahme die Leistung?

23. Mai 2024

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Sobald es bergauf geht, wird das Gewicht im Radsport zu einem limitierenden Faktor. Vor allem der ambitionierte Sport ist bekannt dafür, jedes Gramm auf die Waage zu bringen. Doch bis zu welchem Punkt ist das sinnvoll? Und wie unterschiedlich wirken sich das Körpergewicht und das Gewicht des Velos auf die sportliche Leistung aus?

Das Gewicht ist im professionellen Radsport ein Dauerthema. Vor allem bei den grossen Rundfahrten sieht man spindeldürre Athletinnen und Athleten mit minimalem Körperfettgehalt, die bis auf die Knochen abgemagert scheinen. «So jemand dürfte gar nicht an den Start gehen», zeigte sich die Schweizer Radrennfahrerin Marlen Reusser in einem Interview mit der NZZ besorgt über den Gesundheitszustand mancher Athleten. Wer zu wenig auf die Waage bringe, riskiere nicht nur Langzeitschäden wie Osteoporose und der Blutverlust nach einem Sturz könne tödlich sein.

Wie wichtig das Gewicht im Spitzensport ist, zeigt die Entwicklung von Chris Froome. Der vierfache Tour-de-France-Sieger reduzierte sein Gewicht zwischen 2007 und 2011 um 10 Kilogramm auf rund 66 Kilogramm, was bei seiner Grösse von 1,86 m einem BMI von 19,1 entspricht. Froome mutierte daraufhin zum Seriensieger, obwohl sich seine absoluten Leistungsdaten nicht signifikant verbesserten, wie publizierte Aufzeichnungen zeigen. Seit mehreren Jahren und nach und einem fatalen Trainingssturz mit schweren Verletzungen fährt der mittlerweile 28-Jährige seiner Form allerdings weit hinterher.

Wie lange verbessert eine Gewichtsabnahme die Leistung?

Weniger Gewicht macht schnell, doch wo liegen die Grenzen? «Wer abnehmen möchte, sollte darauf achten, sich möglichst auf die Reduktion der Fettmasse zu konzentrieren», sagt Lucas Schmid, Leiter Sportwissenschaft bei Swiss Cycling und ergänzt erklärend: «Ein Verlust an Muskelmasse, welche für die Fortbewegung auf dem Rad benötigt wird, ist automatisch mit einer Geschwindigkeitsreduktion verbunden.»

Das tönt natürlich einfacher, als es in Wirklichkeit ist. Der ideale Kompromiss zwischen möglichst tiefem Gewicht und gleichzeitig optimaler Leistungsfähigkeit ist im Ausdauer-Spitzensport ein kontinuierlicher Tanz auf dem Hochseil. Der Grat zwischen einer Verbesserung durch ein minimiertes Gewicht und einem Formeinbruch durch mangelnde Substanz ist derart schmal, dass schon manche Spitzenathleten in ein Leistungstief mit teils langfristigen Folgen geschlittert sind.

Und der Hobbysport?

Auch im Hobbyradsport spielt das Gewichts-Tuning eine gewichtige Rolle. Da tendieren allerdings viele in erster Linie dazu, ein potenzielles Mehrgewicht materialtechnisch zu optimieren. Doch wie entscheidend ist das Gewicht des Velos für die Leistung und wie entscheidend das Gewicht des Fahrers? Ist das superleichte Velo, das einen seit Monaten aus dem Schaufenster anlächelt, die Lösung für neue Bestzeiten? Oder würde man besser ein paar Kilo abspecken?

Swiss Cycling hat mit dem Swiss Cycling Calculator ein spannendes Rechentool entwickelt, mit dem man unterschiedlichste Konstellationen simulieren kann. Grundsätzlich gilt: Je schwerer der Sportler oder die Sportlerin ist, desto weniger entscheidend ist das Gewicht des Velos. Lässt man beispielsweise einen 185 Zentimeter grossen und 85 Kilo schweren Mann mit einem 10 kg schweren Velo im Oberlenker-Griff bei einer Leistung von 250 Watt über eine Strecke von 10 km und 200 Hm fahren, errechnet der Calculator eine Zeit von 1624 Sekunden, also gut 27 Minuten. Mit einem zwei Kilogramm leichteren Velo (was etwa einem Aufpreis von mehreren tausend Franken entspricht), ist unser Mustermann mit 1611 Sekunden gerade mal 13 Sekunden schneller im Ziel. Würde er hingegen fünf Kilo abnehmen, würde er seine Zeit mit der gleichen Leistung um 43 Sekunden verbessern.

Je tiefer das Körpergewicht, desto stärker wirkt sich das Gewicht des Velos aus. Eine 160 cm grosse und 58 kg schwere Frau benötigt mit einem 10-kg-Velo und einer Leistung von 180 Watt für die 10-km-Strecke 1579 Sekunden, mit einem 8-kg-Velo wären es 18 Sekunden weniger. Mit drei Kilos weniger auf den Rippen wäre die Sportlerin 38 Sekunden schneller.

Zahlenspielereien von Swiss Cycling

Solche Zahlenspiele lassen sich mit dem Calculator beliebig fortsetzen. Neben dem Eigengewicht und dem Gewicht des Velos können auch weitere Faktoren wie die Position auf dem Rad (Aerodynamik), die Lenkerhaltung, das Gewicht der Bekleidung, die Wattleistung oder der Wind unterschiedlich simuliert werden.

Die Erkenntnis dabei: Das Körpergewicht ist im Radsport ein wichtiger Faktor und vor allem im Leistungssport ein heikles Thema. Im Breitensport hingegen ist das Gewicht des Velos weit weniger entscheidend als von vielen Hobbysportlern angenommen. Meist ist nicht ein zu hohes Gewicht des Sportgeräts der Grund für eine allfällig suboptimale Leistung, sondern schlicht mangelnde Fitness – und ein bisschen viel Speck um die Hüften.