INTERVIEW MIT ANDREA HUSER

11. ottobre 2016

Je länger die Distanz, desto erfolgreicher Andrea Huser. Die 43-jährige hat dieses Jahr für Aufsehen gesorgt, als sie beim Irontrail (200km mit 11'440 Höhenmetern) siegte und sogar alle Männer hinter sich liess!  

Beim Irontrail hast du die Ziellinie als Erste überquert. Vor allen Männern! Was war für dich der Schlüssel zu diesem Erfolg?  

Ich denke die Distanz, die regelmässige Verpflegung und die warmen Kleider, als es nass und kalt war. 

Männer starten auf solch langen Distanzen meistens zu schnell, weil sie sich wahrscheinlich einfach zu gut fühlen. Ich brauche jeweils 2-3 h oder noch mehr, bis es so richtig läuft. Zudem bekam Jimmy Pellegrini (der Sieger der Herren) gegen Schluss Magenprobleme und sein Schienbein schmerzte, wodurch ich ihn beim Runterrennen ein- und überholen konnte. 

Was ist deine Empfehlung betreffend Training und Vorbereitungswettkämpfen für all jene, die einmal im Leben an einem Ultralauf teilnehmen möchten?  

Lange Distanzen trainieren, einmal wöchentlich einen langen bis überlangen (ca. 40-60 km) Lauf trainieren. Je nachdem wie viele Höhenmeter der Zielwettkampf hat, diese ins Training einbauen. 

Die meisten Ultratrails dürfen mit Stöcken gelaufen werden, was auf lange Distanzen von Vorteil sein kann. Die Belastung kann aufwärts sozusagen auf 4 Extremitäten verteilt werden, was die Kraft in den Beinen schont. Das Laufen mit Stöcken sollte bewusst trainiert werden, damit die Arme auch eingesetzt werden. Weiter ist wichtig, dass man alle Höhenmeter aufwärts, auch wieder runterläuft, so gewöhnt sich die Muskulatur an diese spezifische Belastung und die Schmerzen in der Muskulatur können hinausgezögert werden. 

Als Vorbereitungswettkämpfe sind kurze, schnelle Bergläufe zum Training der Kraftausdauer und Schnelligkeit ideal. Am besten läuft man im Anschluss an das Rennen auch wieder locker runter. Als ersten Ultratrail sollte man nicht gerade einen 100 - 200 km Lauf machen, sondern zuerst mal Erfahrungen sammeln mit zum Beispiel einem 50 - 100 km Vorbereitungswettkampf. 

Weiter kommte es natürlich auch auf die Ausdauererfahrung an. Ein Langdistanz-Triathlet verkraftet einen langen Ultratrail sicher besser als ein schneller Bergläufer der noch nie mehr als 10 km gelaufen ist. Die mentale Erfahrung ist da nicht zu unterschätzen. 

Du warst erfolgreich als Mountainbikerin, Triathletin, Multisportlerin und jetzt als Ultraläuferin. Welches sind in deinen Augen die wichtigsten drei Gründe für deine Erfolge? Was könnten Hobbysportler kopieren? 

Als ich angefangen habe, Mountainbike-Rennen zu fahren, merkte ich, dass ich ein gewisses Talent habe für die Technik und in der Ausdauer. Das motivierte mich, zielstrebig zu trainieren. Ich erreichte immer wieder Resultate, die mich überraschten. Früher war Spitzensport etwas für mich "Unerreichbares" und plötzlich wurde mir bewusst, dass dies mit konsequentem Training möglich ist. 

Solange ich Abwechslung und die Ausdauerleistungen mit dem Naturerlebnis verbinden kann, habe ich Spass daran. Natürlich muss auch ich einen Sinn sehen am Aufwand, den ich betreibe. Aber solange ich einigermassen vorne mitmischen kann, ist das Motivation pur! Hobbysportler überschätzen sich allzu oft und möchten Ziele erreichen, die für sie noch nicht oder aus bestimmten Gründen nicht möglich sind. Also besser kleine Ziele wie zum Beispiel einen Bergmarathon erfolgreich finishen, bevor man sich für einen 120 km Ultratrail anmeldet und nach 40 km merkt, dass man es nicht schafft. Kleine Ziele erreicht zu haben, ist die beste Motivation weiterzumachen und den Spass am Sport im Allgemeinen und am Training im Spezifischen zu haben.

Wie sieht dein Trainings- und Arbeitsalltag aus? Kannst du uns einen Überblick geben, wie viel du arbeitest, wie viele Kilometer du läufst, wie häufig du Krafttraining machst, wie du beides miteinander kombinierst und wie viel Zeit dir schlussendlich für die Erholung übrig bleibt? 

Ich arbeite normalerweise 80 % als Pflegefachrau, konnte diesen Sommer vorübergehend auf 60 % reduzieren. Bei mir sieht der Trainingsalltag zusamme mit der Arbeit immer etwas anders aus. Ich passe das Training den unregelmässigen Arbeitszeiten an. Seit ich Ultratrails laufe, sind die Laufkilometer gestiegen. Da ich aber stets viele Höhenmeter mache, ist die Kilometerzahl pro Woche für mich nich aussagekräftig. Einmal wöchentlich versuche ich einen langen Lauf von ca. 40 -60 km mit ca 2000-3000 Höhenmetern zu machen. Ein- bis zweimal pro Woche trainiere ich mit dem Mountainbike, wobei ich ca. 2-4-stündige Ausfahrten mache. Ein schnelles Training mit Intervalls je nach Zielwettkampf, einmal Krafttraining, meistens im Bodypump, da ich mich dazu schlecht motivieren kann. Zweimal pro Woche versuche ich Rumpfstabi zu machen, je nach Zeit die mir zur Verfügung steht. Einen Ruhetag für Haushalt und Büro brauche ich während der Woche. Ich gehe regelmässig zur Massage und ab und zu ins Sprudelbad und in die Dampfsauna. Zugegeben, solche Regenerationsmassnahmen kommen während der Saison eher zu kurz. Ich mache aber immer wieder die Erfahrung: je besser in Form, desto weniger brauche ich die Erholung, was mich auch im Arbeitsalltag belastbarer macht.

Wir danken Andrea Huser für die spannenden Antworten.